Handball ist rasant, Handball ist emotional, Handball kennt keine Pausen: Und so schicken die "Zebras" ihre Fans in diesen Tagen durch ein Wellenbad der Gefühlswelt. Nur drei Tage nach der tiefen Enttäuschung beim "VELUX EHF Final4" in Köln geht es am Mittwoch in der DKB Handball-Bundesliga 60 Minuten lang um Punkte. Nach der Partie gegen die HSG Wetzlar, die um 20.15 Uhr angepfiffen und von den Unparteiischen Christoph Immel / Ronald Klein geleitet wird, bekommen die Kieler Handballer dann in Form der Meisterschale die Belohnung für eine fantastische Saison in der Beletage des deutschen Handballs überreicht. Nach der Meisterehrung gibt es dann wieder eine ordentliche Portion Wehmut, wenn sich die Kieler von drei außerordentlichen Mitgliedern ihrer "Zebraherde" verabschieden müssen.
Keine Frage: Dieses Spiel eins nach dem Finalturnier der Königsklasse wird ein ganz besonderes. Denn auf die Traurigkeit über das Halbfinal-Aus folgt nur drei Tage später die Freude über die Meisterschale, die den "Zebras" nach der Partie gegen Wetzlar durch HBL-Präsident Reiner Witte zum 18. Mal überreicht wird - dann ist das Double 2013 auch offiziell. Dann heißt es aber auch Abschied nehmen von einigen der "Kieler Jungs", die den THW-Fans in den vergangenen Jahren so sehr ans Herz gewachsen waren, dass sie sie eigentlich nie wieder gehen lassen wollten: Während Kapitän Marcus Ahlm am 16. August mit einem Abschiedsspiel seine Karriere beendet, ist die Partie gegen Wetzlar für Momir Ilic, Daniel Narcisse und den erfolgreichsten Sportler, den man in Kiel je hat Handball spielen sehen, Thierry Omeyer, tatsächlich das letzte Spiel in ihrer Sparkassen-Arena und vor ihren THW-Fans.
Nach einer tollen Saison, in der der THW Kiel mit dem Gewinn des DHB-Pokals und der 18. Meisterschaft das Double perfekt machte, soll das letzte Heimspiel, die Meisterehrung und der Abschied der drei THW-Stars in einem ganz besonderen Rahmen stattfinden: Die Sparkassen-Arena wird Schwarz-Weiß, Kiel ist Schwarz-Weiß! Alle 10.285 Zuschauer werden gebeten, möglichst in schwarzer oder weißer Oberbekleidung zum Spiel zu kommen. Egal, ob THW-Trikot, weiße Bluse oder schwarzes T-Shirt: Hauptsache Schwarz-Weiß! Direkt vor dem Anpfiff wird in Zusammenarbeit mit den Kieler Nachrichten und unter tatkräftiger Mithilfe vieler Fanclubmitglieder von "Schwarz-Weiß" und den "Zebrasprotten" dann ein eindrucksvolles Bild die letzten 60 Heimminuten der Saison einläuten.
In diesen stellt sich den "Zebras" mit der HSG Wetzlar die Überraschungsmannschaft der Hinrunde in den Weg. Als Tabellendritter empfingen die Hessen am 16. Dezember vergangenen Jahres den THW Kiel. Mit ganz viel Einsatz hatten die "Zebras" in Unterzahl gegen eine offensive HSG-Abwehr die letzten Sekunden eines intensiven Spitzenspiels der DKB Handball-Bundesliga zu einem für den THW positiven Ende gebracht. "Das war ein richtig enges Spiel, ein Kraftakt", sagte THW-Trainer Alfred Gislason nach dem 27:26-Erfolg, der den deutschen Rekordmeister im Dezember vor einem größeren Rückstand auf den damaligen Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen bewahrte.
Doch das ist längst Geschichte: Der THW Kiel hat nach der WM-Pause seine unglaubliche Aufholjagd gestartet, die im vorzeitigen Gewinn der 18. Deutschen Meisterschaft am 14. Mai gegen die Rhein-Neckar Löwen gipfelte. Den Hessen hingegen ging nach dem bisher besten Saisonstart seit dem Erstliga-Aufstieg 1998 ein wenig die Luft aus. Nachdem die HSG gleich am ersten Spieltag den HSV Hamburg mit einer 33:26-Packung auf die Heimreise an die Elbe geschickt, der SG Flensburg-Handewitt wenig später ein 31:31-Remis abgetrotzt und auch in Magdeburg und Berlin gewonnen hatte, rückte Wetzlar bis zum Hinspiel gegen den THW auf Platz drei vor. "Da gehören wir nicht hin", hatte HSG-Trainer Kai Wandschneider vor der Partie gegen den Rekordmeister gesagt, "schließlich stehen wir in der Etat-Rangliste auf Platz 15 und unser Ziel bleibt der möglichst schnelle Klassenerhalt." Tatsächlich stand dieser beinahe schon im Dezember fest - und angesichts der ungewohnten Situation, zahlreiche Nationalspieler für die WM abstellen zu müssen, rutschte die HSG nach der Niederlage gegen Kiel ein wenig ab: Aus den folgenden zehn Spielen holte man mit einem Unentschieden in Hannover und einem Heimsieg gegen Melsungen lediglich drei Punkte. Zuletzt aber fing sich die Mannschaft wieder - und steuert nun dem besten Abschneiden seit mehr als zehn Jahren entgegen. "Mit solch einer herausragenden Spielzeit hat wohl kaum einer gerechnet", sagt Torhüter Nicola Marinovic, mit 36 Jahren der erfahrenste Spieler im aktuellen HSG-Kader: "Ich habe erwartet, dass wir eine bessere Runde im Vergleich zur Letzten spielen, in der wir lange gegen den Abstieg kämpfen mussten. Und im Hinterkopf hatte ich schon eine kleine Vorahnung, dass es auch sehr viel besser werden könnte, wenn alles passt."
Doch Erfolg weckt bekanntlich auch Begehrlichkeiten - und so müssen die Mittelhessen ihre Mannschaft für die kommende Spielzeit wieder umbauen: Neben Marinovic (geht zu FrischAuf Göppingen), seinem Torhüter-Kollegen Nikolai Weber (zurück zur TSV Hannover-Burgdorf), Kari Kristjan Kristjansson (Bjerringbro-Silkeborg/Dänemark) kündigten auch Michael und Philipp Müller (beide MT Melsungen) an, den Verein am Ende der Spielzeit zu verlassen. Mit den ebenfalls den Verein verlassenden Alois Mraz und Fannar Thor Fridgeirsson summierte sich die Zahl der Abgänge am Saisonende auf sieben. Geschäftsführer Björn Seipp war also zum Handeln gezwungen - und freute sich, frühzeitig sechs Neuzugänge zur kommenden Saison präsentieren zu können: Nachwuchstalent Andreas Wolff (TV Großwallstadt) unterschrieb bei den Hessen einen Zweijahresvertrag und wird künftig mit dem norwegischen Nationalspieler Magnus Dahl von Atletico Madrid (Vertrag bis 2016) das Torhütergespann bilden. Eigengewächs Sebastian Weber kehrt vom TV Hüttenberg zurück zur HSG und wird Routinier Jens Tiedtke am Kreis unterstützen. Zudem kommt Dennis Krause vom VfL Gummersbach. Beim diesjährigen THW-Champions-League-Gegner IK Sävehof war Seipps Suche nach Verstärkungen gleich doppelt erfolgreich: Für den Rückraum verpflichtet wurden Kristian Bliznac und Kent Robin Tönnesen.
Weniger glücklich wird man in Wetzlar mit der Entscheidung von Tobias Reichmann sein, der unlängst ankündigte, die HSG nach Ablauf seines Vertrages am 30. Juni 2014 in Richtung des polnischen Champions-League-Dritten KS Kielce zu verlassen. Seipp: "Wir haben alles versucht, ihn über das Vertragsende hinaus in Wetzlar zu halten, hatten gegen das Angebot aus Kielce aber letztlich keine Chance." Wirtschaftlich verantwortungsvolles Handeln stehe für Aufsichtsrat und Geschäftsführung absolut im Vordergrund, erklärte Seipp. Da Ende der kommenden Saison auch die Verträge der beiden anderen aktuellen Nationalspieler Kevin Schmidt (bester HSG-Torschütze) und Steffen Fäth (momentan verletzt), die das Interesse zahlreicher Bundesligisten geweckt haben, auslaufen und zusätzlich die Kontrakte des slowakischen Linkshänders Daniel Valo, von Kreisläufer Jens Tiedtke und von Rechtsaußen Tobias Hahn enden, kommt auch im nächsten Jahr viel Arbeit auf Seipp und Wandschneider zu - der HSG Wetzlar steht ein erneuter Umbruch ins Haus.
In der schwarz-weißen Sparkassen-Arena wird nach dem Spiel und der Meisterehrung wieder Wehmut aufkommen, wenn die Verabschiedung der drei langjährigen "Zebras" ansteht. Die THW-Fans sollten deshalb am Mittwoch ein wenig Zeit mitbringen, denn natürlich wird es einige Überraschungen vor, während und nach den Abschiedsgeschenken geben. Der THW Kiel und seine Fans verneigen sich dann ein letztes Mal in der Sparkassen-Arena vor drei großartigen und unglaublich erfolgreichen Sportlern: Merci, Daniel Narcisse! Danke, Momir Ilic! Merci, Thierry Omeyer!
Quelle:
http://www.dkb-handball-bundesliga.de/magazin/artikel.php?artikel=16195&type=&menuid=225&topmenu=823