Christian Fitzek war über den Jahreswechsel in New York. Gemeinsam mit zahlreichen anderen Handballern folgte er der Einladung eines deutschen Reiseunternehmens, um vor Ort am Big Apple zu feiern, aber auch ein wenig Werbung zu machen für seinen Sport, der in den USA nahezu unbekannt ist. Mit dem HSV Hamburg versucht der 48-Jährige ehemalige Nationalspieler bereits seit 2005 - zunächst als Co-Trainer und Trainer, heute als Sportlicher Leiter - die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. In dieser Saison sieht es gut aus. In einem Interview spricht er über die Tage in New York und warum 2010 das Jahr des HSV Hamburg werden könnte.
Frage: Ein Frohes Neues Jahr Ihnen und Ihrer Familie. Wie ich hörte, haben Sie den Jahreswechsel in New York verbracht.
Christian Fitzek: "Ja, allerdings ohne meine Familie. Die machte wie jedes Jahr den traditionellen Ski-Urlaub in Österreich. Aber die Reise nach New York war eine richtig tolle Geschichte. Unglaublich, wie viele Menschen dieses Angebot wahrgenommen haben. Das waren insgesamt sicher mehr als 200 Leute."
Frage: Mit Ihnen waren auch zahlreiche Handballer unterwegs.
Christian Fitzek: "Insgesamt drei Mannschaften, die allesamt auch noch ihre Ehefrauen oder Lebenspartner dabei hatten, waren da am Start. Ob im Hotel oder auf der Straße in Manhatten: Immer hast du irgendwelche Handballer getroffen."
Frage: Da wurde bestimmt ordentlich gefeiert, oder?
Christian Fitzek: "Das war richtig klasse. Die Silvester-Party stieg direkt am Times Square mitten in Manhattan. Das ist schon anders als bei uns. Bei Schneeregen, Kälte und Feuchtigkeit stehen Zigtausende Menschen draußen an der Straße starren auf die große Uhr und warten auf Mitternacht - und zahlen auch noch Eintritt dafür. Wobei der Konfettiregen zum Jahreswechsel schon beeindruckend ist. In unmittelbarer Nähe hatte der Reiseveranstalter eine komplette Etage in einer mehrstöckigen Bar gemietet, in der wir dann unter uns feiern konnten. Das war eine richtige Handballer-Party, die zum Ende hin noch richtig lustig wurde. Aber ich war ja erst am Silvestertag angekommen und musste aufgrund des Zeitunterschieds die Party um ein Uhr wegen Müdigkeit abbrechen."
Frage: Und dann haben Sie auch noch Handball gespielt. Erzählen Sie mal.
Christian Fitzek: "Das war eine Riesensache. In der Nähe des Central Parks fand das Turnier statt, an dem die drei mitgereisten Teams teilnahmen. Wir haben uns das natürlich angeschaut. Die Turnhalle lag im ersten Stock eines großen Gebäudes, und das Spielfeld hatte zwar Originalbreite, aber in der Länge fehlten bestimmt zehn oder zwölf Meter. Aber die Teams, die dort spielten, haben das allerdings richtig ernst genommen. Und mittendrin haben wir noch ein sogenanntes All Star Game gegen den US-Meister aus New York veranstaltet. Meine Aufgabe war es, unser Team, in dem unter anderem Stefan Lövgren, Ljubomir Vranjes, Henning Fritz und Peter Gentzel und einige andere namhafte Spieler dabei waren, zu coachen. Das war gar nicht so einfach. Ich hatte 30 Spieler zur Verfügung - und jeder wollte spielen. Ich habe natürlich versucht, den Namhaftesten unter ihnen mehr Einsatzzeiten zu geben. Aber im Tor führte zunächst kein Weg an meinem Präsidenten Andreas Rudolph vorbei, der aufgrund seiner gewaltigen Erfahrung in der Startformation stand."
Frage: Im Ernst: Wie stark muss man den US-amerikanischen Meister einschätzen?
Christian Fitzek: "Ich möchte da niemandem zu nahe treten, aber das Team aus New York hatte vielleicht das Niveau einer guten Regionalliga-Mannschaft. Der Keeper war sehr gut, aber auch er konnte nicht verhindern, dass wir am Ende mit 39:27 gewannen. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass das Match richtig klasse war. In Deutschland hätten wir mit diesem Spiel sicher ein paar tausend Besucher in die Halle locken können, in New York waren 400 Besucher da. Doch damit war die Halle aber auch voll bis obenhin."
Frage: Ist das alles nicht ein höchst kurioser Versuch, Handball in den USA populär zu machen?
Christian Fitzek: "Das war ja keine offizielle Aktion des amerikanischen Verbandes, sondern lediglich eine Privatinitiative des Reiseveranstalters. Um damit Werbung zu machen, war der Rahmen zu klein und zu wenig offiziell. Ich bezeichne das eher als eine internationale Handball-Begegnung. Aber schon im Juli soll die DHB-Auswahl in Chicago ein Länderspiel absolvieren. Peter Esch, Präsident des US-Verbandes, hat schon in New York verlauten lassen, dass das Match dann ganz sicher ausverkauft sein wird und insgesamt 15.000 Besucher erwartet werden."
Frage: Konnte Sie den Amerikanern denn nahe bringen, dass Ihr HSV Hamburg zurzeit Tabellenführer der stärksten Liga der Welt ist und was es bedeutet, wenn Ihre Mannschaft endlich Deutscher Meister wird.
Christian Fitzek: "Ich hatte schon den Eindruck, dass viele uns den Titel in dieser Saison gönnen und uns die Daumen drücken."
Frage: Die Ausgangsposition jedenfalls ist besser als je zuvor.
Christian Fitzek: "Wir haben einen Punkt Vorsprung vor dem THW Kiel und noch ein Heimspiel gegen unseren ärgsten Widersacher. Aber erst einmal gehe ich davon aus, dass wir in der Rückrunde alles gewinnen müssen, um Meister zu werden. Schön ist, dass wir es gegenwärtig aus eigener Kraft schaffen können."
Frage: Erklären Sie doch mal, warum es in dieser Saison mit dem Titelgewinn gelingen wird.
Christian Fitzek: "Unsere gegenwärtige Situation ist eine Station auf einem langen Weg, der uns immer wieder ein Stückchen weiter gebracht hat. Selbst aus den Rückschlägen in den vergangenen Jahren haben wir dieses Fundament geschaffen. Zudem kamen zu Saisonbeginn mit den beiden Kroaten Igor Vori und Domagoj Duvnjak offenbar die Mosaiksteinchen zu uns, die noch fehlten. Alles wirkt jetzt sehr viel stabiler, uns kann so rasch nichts mehr aus er Bahn werfen. In dieser Saison ist der große Wille da, endlich den Titel zu gewinnen."
Frage: Die Verpflichtung der beiden Kroaten scheint offenbar ein Glücksgriff gewesen zu sein.
Christian Fitzek: "Beide haben uns entscheidend an Stellen geholfen, an denen wir sonst Probleme bekommen hätten. Vori sprang sofort in die Lücke, die nach der Verletzung von Bertrand Gille am Kreis entstanden war, Duvnjak wächst mehr und mehr in die Rolle des Spielgestalters, der von der Mittelposition aus auch noch Torgefahr ausstrahlt. Zudem wollten beide unbedingt zu uns und haben die Transfers teilweise mitfinanziert. Beide passen perfekt zu uns."
Frage: Überaus erfreulich ist der gewaltige Zuschauerzuspruch in Hamburg. In den letzten Spielen der Hinrunde kamen regelmäßig mehr als 10.000 Besucher in die Color Line Arena. Wollen Sie dem THW nun auch als Zuschauerkrösus den Rag ablaufen?
Christian Fitzek: "Wir hätten die Möglichkeit, weil unsere Halle ja größer ist als die des THW. Aber andererseits müssen wir auch sehr viel mehr dafür tun, um die Leute zu uns zu locken. An dieser Stelle möchte ich ein dickes Lob loswerden an die bei uns im Hause dafür zuständige Abteilung, die in diesem Punkt überaus engagiert arbeitet und immer wieder mit neuen Ideen die Fans in die Halle holt. Wir hatten in den beiden letzten Heimspielen vor der EM-Pause 25.000 Besucher - und das nicht gegen Teams wie Kiel oder Flensburg, sondern gegen Großwallstadt und Balingen. Gegen Balingen mussten wir sogar einige Leute wieder nach Hause schicken, weil einfach nichts mehr ging. Deshalb haben wir für die Rückrunde noch einmal eine große Dauerkartenaktion laufen."
Frage: Was passiert bei all der Euphorie, wenn es mit dem Titelgewinn tatsächlich gelingen sollte?
Christian Fitzek: "Das ist noch so weit weg. Natürlich träume ich davon, einmal in Hamburg auf dem Rathausbalkon zu stehen. Aber es kann noch so viel passieren. Jetzt kommt erst einmal die EM, dann die gesamte Rückrunde und das Heimspiel gegen Kiel. Da ist wirklich alles möglich. Wie heißt es doch so treffend: Wer zu weit vorausschaut, stolpert über den kleinsten Stein."
Quelle: www.toyota-handball-bundesliga.de