Daniel Stephan als Beobachter der Olympischen Spiele: „DHB-Team hat optimales Leistungsvermögen nicht erreicht“
10.09.2008 21:40
Johannes Bitter, der bei den Torhütern mit 41 Prozent gehaltener Bälle den Spitzenplatz noch vor Thierry Omeyer aus Frankreich belegte, war in den Augen von Daniel Stephan bester Spieler des deutschen Teams bei diesen Olympischen Spielen. Der für Hamburg spielende Bitter meisterte 70 von 170 Bällen, die auf sein Tor zuflogen, darunter 3 Siebenmeter. Sein Partner Henning Fritz kam auf 10 von 40 Bällen. Damit stellte das deutsche Torhüterduo mit 38 Prozent den besten Wert aller 12 Nationen, die in Peking am Turnier teilnahmeberechtigt waren.
Dagegen moniert der Welthandballer des Jahres 1998 die Trefferquote der deutschen Außenspieler. Daniel Stephan: „In all den Jahren zuvor war das, was Toto Jansen und Florian Kehrmann von den Außenpositionen geschossen haben weitaus besser als diesmal.“ Jansen erzielte 7 Feld- und 7 Siebenmetertore bei 29 Versuchen und blieb sogar unter 50 Prozent. „Wann hat es das einmal gegeben?“, fragt der Sportliche Leiter des TBV Lemgo. „Flo hat sich im Verlauf des Turniers gesteigert, 63 Prozent bei 20 Toren aus 32 Versuchen sind aber auch nicht die Welt.“ Mit einer Wurfausbeute von insgesamt 44 Prozent von den Außenpositionen verbuchte das deutsche Team den schlechtesten Wert aller Teams. Der Spitzenwert lag hier mit jeweils 68 Prozent bei Polen und Spanien. Auch bei den Statistiken um die Tempogegenstöße belegt Deutschland von allen Teams mit 18 Toren aus 30 Möglichkeiten und daraus resultierenden mageren 60 Prozent den letzten Rang. Im Vergleich kam Kroatien auf 80 (48 von 60) und Dänemark auf 79 Prozent (48 aus 61). Leichte Tore, die der deutschen Mannschaft zum Einzug ins Viertelfinale fehlten.
Das größte Manko des deutschen Spiels sah Daniel Stephan, der das Olympische Turnier vom ersten bis zum letzten Tag aufmerksam verfolgte, in der fehlenden Torgefährlichkeit auf der Mittelposition des deutschen Angriffs. „Entscheidend war der Ausfall von Pascal Hens. Danach waren Michael Kraus und Holger Glandorf auf sich allein gestellt. Mit Hens hätten wir das Viertelfinale ganz sicher erreicht. Ohne ihn war die Leistung dafür nicht ausreichend“, sagt Daniel Stephan. Kampf und Moral im deutschen Team seien in Ordnung gewesen, fügt der Mann aus Rheinhausen an. „Aber das wird von Heiner Brand und auch von ganz Handball-Deutschland erwartet.“
In der Tat drohte den gegnerischen Mannschaften von viel zu wenigen Spielern wirklich Gefahr. Sechs deutsche Akteure - also die Hälfte aller Feldspieler - warfen weniger als zehnmal während des gesamten Turniers auf das Tor. Dazu kamen Christian Zeitz (2 Tore) und der früh verletzte Pascal Hens (6 Tore) auf jeweils 11 Versuche. „Die gesamte Angriffslast lag auf den Schultern von Kraus und Glandorf. Das war zu wenig“, stellte Daniel Stephan die personellen Engpässe im deutschen Team heraus. Kam der Rückraum noch auf eine Wurfeffektivität von 44 Prozent bei 42 Treffern aus 95 Versuchen, was wiederum dem Spitzenwert entspricht, so liegt die Wurfeffektivität der gesamten Mannschaft mit 54 Prozent (126 Treffer bei 233 Versuchen) im Vergleich am unteren Ende der Rangliste. Nur China, Brasilien und Korea verbuchen da noch schwächere Werte. Die Angriffseffektivität liegt bei insgesamt 45 Prozent (126 Treffer bei 278 Angriffen).
63 der 126 Tore, also exakt die Hälfte, wurden von Michael Kraus (38) und Holger Glandorf (25) erzielt. Kraus belegt da mit nur fünf Spielen in der abschließenden Torschützenliste immer noch Rang 5. Im Schnitt erzielte er 7,6 Tore pro Spiel, womit er der treffsicherste Schütze des Turniers war. Die meisten Tore erzielte der Spanier Juan Garcia mit 49, gefolgt von Gudjon Valur Gudjonsson mit 48 aus jeweils 8 Spielen. Glandorf rangiert mit 25 Treffern noch auf dem 24. Platz.
„Leider haben zu wenige Spieler im DHB-Dress ihr optimales Leistungsvermögen abrufen können“, meint Daniel Stephan, der im Endspiel bei den letzten Olympischen Spielen in Athen noch selbst nur knapp am Goldgewinn vorbeigeschrammt war. „Irgendwie hatte ich den Eindruck, als sei jeder Spieler mehr mit sich selbst beschäftigt. Von einer echten mannschaftlichen Geschlossenheit konnte da nicht gesprochen werden.“ Bundestrainer Heiner Brand habe alle taktischen Kniffe versucht, aber diesmal sei die Mannschaft nicht stark genug gewesen, um höhere Ziele ansteuern zu können.
„Gold, Gold, Gold – anders habe ich vor den Spielen nichts gehört. Vielleicht hätte man das Ziel nicht so hoch stecken sollen“, hätte sich der 183-fache Ex-Nationalspieler gewünscht. „Aber vielleicht ist ein Schuss vor den Bug mal gar nicht so schlecht, um mit neuer Motivation und Frische an die nächsten Aufgaben herangehen zu können. „Wer Deutschland jetzt abschreibt, macht einen Riesenfehler.“