Das Geburtstagsständchen aus nahezu 300 Kehlen mitgereister Anhänger aus der Region Eisenach und die Wahl zum „Man of the Match“ hatte sich Matthias Gerlich redlich verdient. An seinem 29. Geburtstag ließ es der linke Rückraumspieler des ThSV Eisenach in der Erzgebirgshalle richtig krachen, schmetterte dem gewiss nicht schlechten Robert Wetzel gleich 12 Bälle ins Netz. Völlig losgelöst feierten die Wartburgstädter bei der Neuauflage der „Mutter aller Handball-Derbys in Mitteldeutschland“ einen 27:26 (13:12)-Erfolg beim EHV Aue. Thüringens Nationalhymne, das Rennsteiglied, beendete eine rasante Partie, die mit dem Steiger-Lied der Wismut-Kumpels begonnen hatte. Beide Fanlager sorgten für eine stimmungsvolle Kulisse, in der mit knapp 1.600 Zuschauern gut gefüllten Erzgebirgshalle. Die Fahnenträger beider Fanlager drehten gemeinsam unmittelbar vor dem Anpfiff ihre Runde auf dem Parkett.
Tomas Urban wieder präzise wie ein Uhrwerk
„Derbysiege schmecken zuckersüß. Fantastisch, wie unsere Fans uns unterstützt haben“, erklärte ein schweißgetränkter, aber überglücklicher Matthias Gerlich. „Eigentlich hätte sich bis zu uns herumsprechen müssen, wer Eisenachs Goalgetter ist“, war aus dem Gastgeber-Lager zu vernehmen. Deren über weite Strecken praktizierte offensive 5:1-Abwehr vermochte den mit ganz viel Zielwasser ausgestatteten Matthias Gerlich nicht entscheidend am Wurf zu hindern. Zu den Protagonisten einer geschlossenen Mannschaftsleistung zählte aber auch Torhüter Jan-Steffen Redwitz, der nach seiner Einwechslung in der 16. Minute 18 Bälle abwehrte, von einer leidenschaftlich kämpfenden Abwehr vor ihm unterstützt. Genannt werden muss ebenso der präzise wie ein Uhrwerk auftrumpfende Tomas Urban, hauptsächlich auf Rechtsaußen, zwischenzeitlich aber auch im rechten Rückraum. Wie er die Bälle aus spitzestem Winkel versenkte, das war Handball-Sahne.
EHV-Coach Stephan Swat: Wir waren einfach zu lieb
„Uns unterliefen letztendlich zu viele technische Fehler, uns fehlte die Souveränität. Sodass wir wohl letztendlich verdient verloren haben“, räumte Dadi Runarsson ein. Der 20-jährige Sohn des einstigen Trainers vom ThSV Eisenach und EHV Aue, Runar Sigtryggsson, überzeugte als ideenvoller und selbst den direkten Weg zum Tor suchender Spielgestalter. Ein überaus sympathischer junger Mann, aus der eigenen Jugend gewachsen, an dem der EHV Aue noch seine Freude haben wird! „Einen Punkt hätten wir uns vielleicht verdient“, sinnierte Rüdiger Jurke, der umtriebige Manager des EHV Aue. Der einstige Kreisläufer benannte das vorzeitige Aus für seinen Torjäger Marc Pechstein als einen Knackpunkt. Dessen Siebenmeter landete am Kopf des ins ThSV-Gehäuse eingewechselten Stanislaw Gorobtschuk. Nach kurzer Beratung zogen die Unparteiischen Thomas Hörath und Timo Hoffmann Rot (44.). „Eine 50:50-Entscheidung“, bewertete Rüdige Jurke die Szene. „Marc Pechstein hat uns dann doch sehr gefehlt“, ergänzte Rüdiger Jurke. Er kritisierte zugleich die für Eisenachs Keeper Jan-Steffen Redwitz „maßgerechten halbhohen Würfe“ seiner Spieler. Das Fehlen ihres verletzten Kapitäns Eric Meinhardt konnte über die Distanz nicht kompensiert werden.
Risiko belohnt
Christoph Jauernik, der weiterhin auf vier verletzte Stammkräfte verzichten musste, schmunzelte. Sein Risiko wurde belohnt. Er brachte im zweiten Abschnitt den zusätzlichen Feldspieler, um eine Überzahl zu schaffen. Aus einem 13:14-Rückstand (32.) wurde eine 21:16-Führung (46.). Nach einer Auszeit bliesen die Hausherren zur Aufholjagd. Auch durch ein aus der Verankerung gerutschtes Tor ließ sich Jan-Steffen Redwitz nicht aus der Ruhe bringen. Duje Miljak, durch eine Fußgelenkverletzung für einnige Minuten zur Behandlung durch Physiotherapeut Martin Münzberg auf der Bank, biss im Schlussgang auf die Zähne. Der Routinier sowie Olafur Bjarki Ragnarsson und Matthias Gerlich ließen sich mit ihren Teamkollegen die Spielkontrolle nicht aus der Hand nehmen. Ein Urban-Ball überquerte die Linie zur 26:22-Fühgrung der Eisenacher (56.). Doch es wurde noch einmal hochgradig spannend. „Durch technische Fehler wackelte plötzlich unser Sieg“, gab Christoph Jauernik freimütig zu. Durch schnelles Umschaltspiel trafen Kevin Roch (2) und Janar Mägi zum 25:26-Anschlußtreffer. Nun war alles möglich. Doch 43 Sekunden vor Ultimo sorgte Matthias Gerlich mit seinem 12.Treffer für Klarheit. Der folgende Torerfolg durch Kevin Roch hatte letztendlich nur noch statistischen Wert. Die Sirene ging im Jubel der Mannschaft und der Fans aus Thüringen unter…!
Niveauvolle erste Halbzeit
Beide Trainer und Manager hatten eine überaus niveauvolle 1. Halbzeit gesehen. „Uns unterliefen nur zwei technische Fehler“. Entnahm Christoph Jauernik den statistischen Aufzeichnungen von Co-Trainer Arne Kühr. Bei 4 Holztreffern fehlte den Eisenachern das Glück, oder, wie es Christoph Jauernik formulierte, „die Präzision“. Die Auftaktphase ging an die Gastgeber. Dadi Runarsson besorgtew mit seinem 3. Treffer das 5:3 (8:9. Mit zunehmender Spielzeit stellten sich die Eisenacher auf die 5:1-Abvwehr der Hausherren, mit Arni Sygtryggsson (Bruder von Runar Sigtryggsson) vorgezogen, ein. Marcel Niemeyer löste Matthias Gerlich für Abwehraufgaben ab. Einem Zusammenspiel zwischen Duje Miljak und Matthias Gerlich entsprang der 5:5-Ausgleichstreffer. Gregor Remke, eines der größten deutschen Handballtalente, vom SC DHfK Leipzig ins Erzgebirge gekommen, strahlte aus dem Rückraum viel Torgefahr aus. Kampfgeist und eine technisch feine Klinge gepaart, ließen ganz langsam die Waage zur Eisenacher Seite ausschlagen. Keeper Jan-Steffen Redwitz sendete nach seiner Einwechslung mit parierten Bällen gleich Signale an seine Vorderleute. Spielte Olafur-Bjarki Ragnarsson seine Qualitäten aus, schauten die Hausherren derdutzt hinterdrein, wie beim 8:9 (21.). Mathias Gerlich traf im Doppelpack zum 9:11 (25.), ein Holzner-Ball landete am Holz. Der EHV Aue glich zum 11:11 (27.) aus. Eine Duje-Miljak-Fackel und eine Redwitz-Parade sicherten den Gästen die knappe Halbzeitführung.
Jauerniks Konzept geht auf
Mit frischem Elan kamen die Hausherren zurück und trafen durch Jan Faith, der gerade seinen Vertrag verlängert hatte, zum 14:13 (32.). Nun waren die Eisenacher wieder hellwach, Olafur Bjarki Ragnarsson nutzte eine Schaltpause der EHV-Abwehr zum 14:15 (36.). Das 15:15 (36.) sollte bereits der letztmalige Gleichstand sein. Mit dem Einsatz des zusätzlichen Feldspielers schufen sich die Wartburgstädter das entscheidende Übergewicht. Teilweise mit zwei Kreisspielern operierend wurden die Hausherren vor erhebliche Probleme gestellt. Tomas Urban hob das Leder von Rechtsaußen zum 15:18 ins Netz (42.). Matthias Gerlich und Tomas Urban trafen zum 16:21 (46.). Matthias Gerlich bediente den von Außen zur Kreismitte eingelaufenen Adrian Wöhler, der zum 18:23 einnetzte (50.). Lautstark durch die eigene Anhängerschaft unterstützt wehrte sich der EHV Aue gegen die drohende Heimniederlage. Doch die Eisenacher ließen sich den zuckersüßen Derbysieg nicht entreißen, der Mann des Spiels beseitigte in der Schlussminute alle Zweifel!
Statistik
EHV Aue: Wetzel, Töpfer; Schäfer, Roch (4), Bornhorn, Mägi (2), A. Sigtryggsson, Faith (1), Jungemann (1), Gunnarsson (2), Remke (3), Runarsson (6/1), Pechstein (6/2)
ThSV Eisenach: Gorobtschuk, Redwitz, Brand; Iffert, Wöhler (1), Gerlich (12), Ragnarsson (3), Miljak (4), Hansen (1), Urban (6/1), Holzner, Kaufmann, Lielais, Niemeyer
Siebenmeter:
EHV Aue 4/3
ThSV Eisenach 1/1
Zeitstrafen:
EHV Aue 2 x 2 Min., Rot für Pechstein nach Unsportlichkeit (44.)
ThSV Eisenach 4 x 2 Min.
Schiedsrichter: Hörath/Hofmann
Zuschauer: 1.586
Quelle: PM ThSV Eisenach