Werner-Aßmann-Halle Eisenach, das ist eine der Kult-Handballstätten Deutschlands. Zwar mittlerweile etwas in die Jahre gekommen und vor der Ablösung durch eine geplante neue Halle in der thüringischen 42000-Einwohner-Stadt, aber, so Daniel Eblen, „immer für eine ganz besondere Atmosphäre“ gut. Vor dem ersten Aufeinandertreffen überhaupt zwischen dem gastgebenden ThSV Eisenach und der HSG Konstanz am Samstag, 19.30 Uhr, war die Vorfreude riesengroß.
Seit Dienstag, als die Nachricht vom schweren Verkehrsunfall des ThSV-Spielmachers Marcel Schliedermann, der sich schwerste Verletzungen zuzog aber die Intensivstation bereits verlassen konnte, bekanntwurde, ist die Freude auf das Gastspiel beim ehemaligen DDR-Meister deutlich getrübt. „Eine ganz schlimme Geschichte“, sagt der Cheftrainer der HSG Konstanz, „wir wünschen Marcel natürlich das Allerbeste und hoffen, er wird ebenso wie seine Beifahrerin schnell wieder gesund. Da sieht man wieder einmal wie schnell die sportlichen Ergebnisse in den Hintergrund rücken.“ Wie der Gegner müsse man diese schwierige Situation vor dem Spiel ausblenden. „Wir haben bei der HSG selbst ganz schlimme Dinge durchstehen müssen. Es ist schwierig, sich dann zu konzentrieren. Allerdings kann man auch noch enger zusammenrücken und es entsteht Neues.“
Eblen erinnert sich an das Spiel seiner Mannschaft nach der Beerdigung von Sebastian Faißt, früher selbst in Konstanz aktiv und Bruder des langjährigen HSG-Kapitäns Matthias Faißt. „Ich möchte im Zusammenhang mit einem Unfall ungern von einer Beerdigung sprechen, aber die Erinnerung ist da. In dieser schweren Situation haben alle ganz besonders zusammengehalten.“ Trotzdem bleibt die Vorfreude auf ein ganz besonderes Spiel an ganz besonderer Spielstätte gegen einen sehr traditionsreichen und erfolgreichen Gastgeber, der insgesamt 31 Jahre in der höchsten Spielklasse der DDR sowie zehn Jahre in der 1. und 15 Jahre in der 2. Bundesliga am Spielbetrieb teilnahm. Noch letzte Saison spielte Eisenach in der stärksten Liga der Welt und verpasste als Tabellensechzehnter nur knapp den Klassenerhalt.
Die HSG Konstanz wird sich erneut schon am Freitagmorgen auf die knapp 530 Kilometer lange Fahrt nach Weimar begeben und dort Quartier in einem Hotel beziehen, ehe es am Samstag – nach einem Besuch der Gedenkstätte Buchenwald, von Juli 1937 bis April 1945 eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden, und einer zusätzlichen Videoanalyse des ThSV – weiter in die Geburtsstadt des Komponisten Johann Sebastian Bach weitergeht. Die unterhalb des UNESCO-Weltkulturerbes Wartburg gelegene Lutherstadt, heute vor allem dank der Automobilindustrie ein Industriezentrum Thüringens, erwartet die Bodensee-Handballer am Samstag mit wohl noch mehr als den ohnehin schon beachtlichen knapp 1800 Fans im Schnitt bei den bisherigen Heimspielen in der Werner-Aßmann-Halle. Nur in Lübeck pilgern derzeit noch mehr Zuschauer zu Zweitliga-Handballspielen – und nur Tabellenführer TuS N-Lübbecke konnte in der Festung Aßmann-Halle bisher bestehen, alle anderen Teams gingen leer aus.
„Wir dürfen gegen eine reine Profimannschaft antreten. Alleine das ist etwas Besonderes“, streicht A-Lizenzinhaber Daniel Eblen heraus. „Man sieht hier schon Unterschiede, wie bestimmte Situationen gemeistert werden. Wenn es gegen solche Teams dann aber doch wie vorbereitet und vorgenommen klappt oder man den Profis sogar ein Schippchen schlagen kann, ist das speziell. Wir haben aber null Druck.“ Druck kann beim derzeit auf Rang elf stehenden Aufsteiger, nur zwei Zähler von den Ostdeutschen entfernt, schon alleine deshalb nicht aufkommen, weil die Trainingsarbeit zuletzt durch viele Verletzungen und Infekte sehr schwierig war, wie der HSG-Coach verrät. Immerhin ist Torwart Konstantin Poltrum nach einem in der Partie gegen Neuhausen erlittenen Muskelbündelriss gerade rechtzeitig zur ersten Begegnung nach der WM-Spielpause wieder fit und einsatzbereit.
Dennoch, obwohl der Erstliga-Absteiger nach einem größeren Umbruch langsam in Schwung kommt und trotz der geballten individuellen Klasse wie etwa im Rückraum in Person des Slowaken Thomas Urban, des Isländers Olafur Bjarki Ragnarsson, Matthias Gerlich oder des Dänen Nicolai Hansen am Kreis, verweist der 42-Jährige gebürtige Konstanzer auf die kleine Außenseiterchance: „Wir fahren mit Selbstvertrauen dorthin, wissen was für ein Team und was für eine Halle auf uns zukommt und müssen dann einfach wieder frech sein und dagegenhalten. Das A und das O ist dabei die Abwehrarbeit.“ Bei Eisenach wisse jeder Profi „wie der Hase läuft und Handball gespielt wird“, dazu warnt Eblen vor dem hohen Tempo im Spiel der Thüringer und lobt die Handschrift des neuen jungen Trainers Christoph Jauernik, der ein „wohlüberlegtes System“ etabliert habe. „Das ist eine richtig starke Mannschaft, dazu eine Heim-Macht, die sich auch auf super Außen und zwei gute Torhüter verlassen kann.“
Fast könnte es den Konstanzern angesichts der „Hammer-Wochen“, wie der HSG-Coach das Auftaktprogramm in die restlichen 20 Spiele mit Partien in Eisenach, bei Tabellenführer Lübbecke, gegen den Zweiten Hüttenberg und beim Dritten Bietigheim bezeichnet, etwas mulmig werden, doch Trainer und Mannschaft wissen die Stärke der Kontrahenten einzuordnen und verweisen auf eine mögliche Geduldsprobe, die sie erwartet. „Wir versuchen alles, um hier nicht ganz punktlos herauszugehen“, sagt Kapitän Fabian Schlaich entschlossen, fügt aber auch gleich an: „Und vor allem müssen wir alle zusammen Geduld bewahren.“ Sein Trainer spricht vor allem davon, selbst in diesen Partien weiter Fortschritte machen zu wollen, aus möglichen Fehlern zu lernen und auf dem Weg zu weiteren Punkten wieder in Schwung zu kommen. In der Hinrunde war es seinem jungen, unerfahrenen Team gegen die großen der Liga fast immer gelungen, lange auf Augenhöhe zu agieren und sogar für die eine oder andere faustdicke Überraschung zu sorgen. Dazu passend schließt Daniel Eblen seine Ausführungen mit einem schelmischen Grinsen und den Worten: „Die Rolle des Außenseiters ist uns immer ganz gut gelegen.“
Quelle: PM HSG Konstanz