Sieben Spiele, sieben souveräne Siege, Halbfinale. Alles war perfekt gelaufen für Stefan Hanemann von der HSG Konstanz und die deutsche U21-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Algerien. Dann kamen zwei unglückliche Niederlagen gegen Europameister Spanien im Halbfinale und Weltmeister Frankreich im Spiel um Platz drei. Nach dem undankbaren vierten Platz und zwei Tagen zurück in der Heimat sagt Stefan Hanemann, es gehe ihm mittlerweile wieder „ganz okay.“ Doch die Enttäuschung sitzt tief. Bis Freitag und zum Beginn des Trainingslagers mit seinem Club vom Bodensee möchte er wieder „hungrig“ sein.
Im Moment genießt Stefan Hanemann zweieinhalb Tage Urlaub zu Hause bei der Familie. Geburtstag mit dem jüngeren Bruder feiern, viel Wäsche waschen, Gedanken und Gefühle nach einem aufregenden Turnier sortieren. Ein Spiel steht dabei besonders im Fokus: das mit 21:26 verlorene Semifinale gegen die Iberer. „Das hat uns das Genick gebrochen“, hadert der großgewachsene Schlussmann. „Davor haben wir uns stark präsentiert und in der Gruppenhase alles gewonnen.“ Darunter waren Kantersiege gegen Chile (51:25) und Südkorea (48:33). Im Nachhinein betrachtet für den HSG-Keeper Partien, die es schwer gemacht haben, den Rhythmus zu finden, weil Deutschland wenig gefordert wurde.
Es folgte ein Krimi gegen Schweden im Achtelfinale, mit einem 31:28-Sieg in der Verlängerung. Für Hanemann einer der emotionalsten und schönsten Momente mit der DHB-Auswahl. „Da war richtig Druck dahinter, ich bin am Ende fast eingegangen“, so der 21-Jährige, „alle waren unter Strom, wir waren schon mit einem Bein ausgeschieden und dann dieses Hammer-Ende.“ Erst Linksaußen Lukas Mertens hatte mit einem abgefangenen Ball Deutschland in die Verlängerung gerettet. Hanemann: „Ein Schock und dann die Erleichterung, das war unser krassestes Spiel.“ Im Viertelfinale war es schließlich der gebürtige Wetzlarer selbst, der eine Viertelstunde vor dem Abpfiff eingewechselt wurde und seine Mannschaft gegen Tunesien mit sagenhaften 60 Prozent gehaltenen Würfen und einem abgewehrten Siebenmeter zum Halbfinaleinzug führte.
Und dann Spanien, immer wieder Spanien. Schon vor einem Jahr hatten die Iberer im Finale um die Krone Europas die Nase vorne, nun holten sie sich nach dem Sieg über Deutschland im Finale gegen Dänemark auch den Weltmeistertitel. „Wir hatten viermal die Chance, durch einen in der Abwehr eroberten Ball heranzukommen“, zählt der Konstanzer auf, „und viermal lassen wir die Möglichkeit mit technischen Fehlern und einem vergebenen Siebenmeter aus.“ Der Grund, warum das Turnier nach sieben Siegen mit zwei Niederlagen und ohne Medaille zu Ende ging. „Das hat sich wie ein roter Faden durchgezogen, leider haben wir wirklich jeden Torhüter unserer Gegner warmgeworfen und sehr viele Chancen ausgelassen.“
Die Enttäuschung sitzt tief, denn das Ziel „Medaille“ wurde gegen Frankreich (22:23) in allerletzter Sekunde mit einer ausgelassenen Doppelchance vergeben. „Es fühlt sich fürchterlich an, ohne Medaille ohne das, was wir uns vorgenommen hatten“, so Haneman, der aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. „Ein total bescheidenes Gefühl. Wir haben uns noch einmal aufgerafft, nachdem wir nach dem Spanien-Spiel total kaputt waren, die Stimmung war wieder gut und wir haben alles rausgehauen, was ging.“ Über Platz vier kann sich der Hüne im Monet noch nicht freuen, obwohl ihm bewusst ist, dass „wir zu den besten vier Mannschaften der Welt zählen. Dennoch haben wir nichts in den Händen. Das ist wie ein Schlag ins Gesicht, wir wollten hier unbedingt eine Medaille und haben nichts.“
Aus diesen Worten spricht die ganze Enttäuschung über den nicht gekrönten Abschied aus den Nachwuchsmannschaften des DHB, nachdem Hanemann zuvor an zwei großen Turnieren aufgrund einer Verletzung passen musste. Deshalb weiß der ehrgeizige Torhüter die Ergebnisse aber auch demütig einzuordnen und erinnert an schlimme Monate, als er nach einer schweren Knieverletzung fast eine ganze Saison zum Zuschauen verdammt war. „Es war die größte Ehre für mich, für Deutschland zu spielen, den Adler auf der Brust zu tragen, die Hymne zu singen und als einer der beiden besten Torhüter des Landes nominiert zu werden“, blickt er dankbar zurück. „Es war geil, dass ich es zurückgeschafft habe und so viel Vertrauen von Markus Baur und Erik Wudtke erhalten habe. Sie haben mir die Chance gegeben, mich zu beweisen.“ Nationaltrainer Erik Wudtke lobte wiederum seinen Schlussmann: „Stefan spielte ein gutes Turnier und überzeugt vor allem mit einer guten Konzentration und einem überragenden Teamgedanken. Gerade gegen Tunesien war er sofort da und hat mit tollen Paraden den Sieg unter Dach und Fach gebracht.“
Für immer in Erinnerung wird ihm die Woche des DHB-Trainingslagers in Konstanz bleiben, mit einem Testspiel gegen Island vor und in dem er lautstark von mehr als 800 Zuschauern gefeiert wurde. „Eine geile Woche“, sagt er grinsend, „wie mein Name auf der ganzen Tribüne geschrien wurde – Gänsehaut.“ Doch wenn es nicht läuft, läuft’s nicht. Mit fünf Stunden Verspätung ging der Flug, der zwischenzeitlich sogar gestrichen werden sollte, doch noch gen Heimat zurück. Für ein paar Stunden zur Familie, dann direkt weiter zur HSG Konstanz und einem harten Trainingslager. Das ruft wieder gemischte Gefühle hervor. „Ich freue mich die Jungs wiederzusehen, die Neuen zu begrüßen und Gas zu geben – aber nach dem Turniermodus direkt an Ausdauereinheiten denken zu müssen ist weniger prickelnd.“
Zurück bleibt trotz allem Unglück ein versöhnliches Ende der Nachwuchsnationalmannschaftszeit für Stefan Hanemann, aber eines, dem die Krönung um Millimeter versagt blieb. Doch das nächste Highlight und die nächste Chance auf große Erfolge bietet sich schon in etwas mehr als zwei Wochen im ersten Pflichtspiel der neuen Saison für die HSG Konstanz. Im DHB-Pokal wartet mit dem Erstliga-Sechsten HSG Wetzlar ein großer Name – und Hanemanns Stammverein, bei dem er in der Jugend groß wurde. So ist der Hunger auf weitere Erfolge schnell zurück, zwischen Geburtstagstorte und Wäschekorb.
Quelle: PM HSG KONSTANZ