Mutter Bärbel war da, Vater Josef ebenso, wie immer in den letzten zehn Jahren, wenn bei der TSG Ludwigshafen-Friesenheim ein Heimspiel auf dem Programm stand. Die Eltern von Philipp Grimm waren bei den Eulen Dauergäste und verpassten in dieser Dekade nicht eine Begegnung ihres Sohnes, selbstredend auch die letzte Partie nicht. Und sie hatten ihre Verbundenheit mit Philipp und ihren Stolz auf die phantastische Karriere ihres Sohnes auch optisch demonstriert und gewürdigt: Mutter Bärbel hatte das E-Jugend-Trikot mit der Vier auf dem Rücken an, mit dem Philipp einst für den TV Kirchzell aufgelaufen war. Und Vater Josef trug ein TSG-Trikot seines Sohnes.
Stolz und ergriffen nahm Philipp Abschied von der großen Handballbühne, den der 32-jährige Kapitän Ende Dezember des letzten Jahres angekündigt hatte. Und perfekter hätte der Zeitpunkt nicht sein können. Denn das extrem spannende Saisonfinale in der 2. Handball-Bundesliga mit dem Match der Matschke-Auswahl gegen den HC Empor Rostock, der Schützenhilfe des VfL Bad Schwartau und dem damit verbundenen Aufstieg der Pfälzer war von allerhöchster Emotionalität geprägt: Sieg, Abwarten, ob es für den Aufstieg reichen würde, und dann ein Jubelorkan, der die Friedrich-Ebert-Halle in ihren Grundfesten zu erschüttern schien.
Am zweiten Juniwochenende ging Philipps Karriere nach zehn großartigen Jahren bei der TSG zu Ende. Da sagte ein Spieler „Tschüss“, für den Handball ohne Kalkül war, sondern zweierlei bedeutete: Spaß und Emotion. „Was Du uns gerade im Handball gegeben hast, ist für uns unbeschreiblich“ sagte Josef Grimm seinem Filius bei einer herzlichen Umarmung nach Spielende ins Ohr und sprach damit auch für seine Frau Bärbel. „Das ist unser Dank für Deine tolle Karriere.“ Und Philipps Eltern empfanden dabei vor allem eine Riesenfreude einen unglaublichen Stolz.
Philipp, 1985 in Miltenberg geboren und in Kirchzell aufgewachsen, ging beim TVK anfangs ins Kinderturnen und kam als 4-Jähriger zum Handball. „In Kirchzell gab es, sportlich betrachtet, kaum Alternativen“, erläutert der Rechtshänder, der in der Familie viele Handballbegeisterte um sich hatte. So war beispielsweise seine Mutter 2. Vorsitzende beim TVK und sein Opa mütterlicherseits 1. Vorsitzender des Gesamtvereins. Und beide waren damit ein Wegbereiter einer Handballkarriere, die einen weiteren Kirchzeller bis in die Bundesliga bringen sollte. Denn auch der acht Jahre ältere Cousin Heiko Grimm schaffte den Sprung bis ins Oberhaus und lief zunächst für den TV Großwallstadt auf, dem Klub, der quasi um die Ecke lag und damals noch eine große Nummer im deutschen Handball war. Beim TVG wurde Heiko Grimm auch zum Nationalspieler. Doch zurück zu Philipp, der, das nur nebenbei, auch ein hervorragender Schwimmer ist und als Kind im eigenen Wohnzimmer zusätzliche Trainingseinheiten absolvierte, was nicht immer schadenfrei vonstattenging.
Beim TV Kirchzell feierte er als Jugendlicher seine erste Meisterschaft als Landesbester in Hessen, der die Südwestdeutsche Meisterschaft folgte. Noch erfolgreicher war der 85er-Jahrgang in der A-Jugend, die 2004 gegen den SC Magdeburg im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft stand und zwei Mal unterlag. „Wir haben heute noch Kontakt zueinander“, schwärmt Philipp von jenen Tagen und dem außerordentlichen Teamgeist, den die Mannschaft ganz besonders ausgezeichnet hat. In der A-Jugend setzte ihn sein damaliger Trainer Alex Hauptmann auf eine andere Position. Philipp, der immer im linken Rückraum gespielt hatte, wechselte auf die linke Außenposition. „Aufgrund meiner Größe von 1,85 Meter war diese Umstellung auch der Grund dafür, dass ich später auch Bundesliga spielen konnte, denn um im Rückraum Bundesliga spielen zu können, fehlten mir doch einige Zentimeter.“ Vor Alex Hauptmann trainierte Philipp als Mini unter Paul Wörner und Klaus Bundschuh. Es folgten Erich Hess in der D-Jugend, Peter David in der C-Jugend und Heiko Winter in der B-Jugend.
Die bodenständige Frohnatur wechselte 2005 zur TSG Groß-Bieberau in die 2. Bundesliga, wo er als bester Neuzugang aller Zeiten beschrieben wurde. Mit den Hessen stieg Philipp in die Regionalliga ab und wurde 2006 mit diesem Team in der Regionalliga Südwest Zweiter hinter der SG Wallau-Massenheim. In jener Spielzeit wurde Philipp mit einem Schnitt von über sechs Toren bester Feldtorschütze.
„Als ich 2007 als ganz junger Spieler zur TSG kam, spielten dort Lev Voronin, Uli Spettmann, Thorsten Laubscher und Nico Kibat, alles gestandene Handballer“, sagt Philipp und gesteht: „Ein Traum ist damit in Erfüllung gegangen, denn als Kind schaute ich jedes Handballspiel im Fernsehen an. Und entwickelte so meinen Traum, eines Tages auch Bundesliga spielen zu wollen.“
In seiner Premierensaison bei der TSG traf „Grimmi" 153 Mal ins gegnerische Tor und war bei den Rothemden hinter Nico Kibat zweitbester Werfer. In der folgenden Runde netzte der Ingenieur 199 Mal ein und im Aufstiegsjahr machte er die zweihundert voll. Auch im Erstligajahr 2010/11 traf Philipp Grimm vereinsintern am häufigsten und war am Ende mit 138 Treffern auf Platz 22 der Torjägerliste. In der Spielzeit 2011/12 lieferte sich der Rechtshänder bis ins Frühjahr hinein mit seinem besten Freund Felix Kossler ein Kopf-an-Kopf-Rennen, dessen verletzungsbedingtes Saisonaus zur Folge hatte, dass dieser „Zweikampf" zu früh zu Ende ging. Am Saisonende standen 229 Tore in der Statistik, nur sechs Spieler hatten noch häufiger das Netz zappeln lassen. Sein 1000. Treffer gelang ihm am 5. Dezember 2012 in der Partie gegen den VfL Bad Schwartau. In den beiden Spielzeiten 2012/13 und 2013/14 belegte Philipp Grimm in der Torjägerliste jeweils Platz zwei, einmal hinter Bobby Schagen und das andere Mal hinter Tim Suton. Es folgten 149 Treffer in der zweiten Erstligasaison der TSG und 244 Tore in seiner vorletzten Runde. Am Ende seiner finalen Saison 2016/17 standen 1906 Treffer auf seinem Konto, ein phänomenaler Wert. 359 Begegnungen hat der 32-jährige Linksaußen für die Rothemden absolviert und nur drei Punktspiele verpasst, auch das ist außergewöhnlich. Eine besondere Wertschätzung erfuhr der Linksaußen im Jahr 2014, als er zur Wahl für das All-Star Game 2014 in der ersten Liga nominiert wurde.
2013 übernahm Philipp Grimm offiziell das Kapitänsamt vom heutigen Cheftrainer Ben Matschke, der, wie Philipp, 2007 zur TSG gekommen war. Beide teilten sich im Übrigen die Zimmer bei Trainingslagern und Übernachtungen und entwickelten früh ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis.
Seine Dekade bei den Eulen fasst Philipp zusammen: „Anfangs war es eine große Umstellung, weil die Mannschaft einen Umbruch durchmachte, dem ein Jahr später ein zweiter folgte. Doch mit der Jagdfieberkampagne wurde der Startschuss für eine andere TSG gelegt. Sensationell war das Erreichen der Relegation und es entwickelte sich ein unglaublicher Teamspirit. Der erste Aufstieg 2010 war überragend und der folgende Abstieg brachte keinen Abbruch. Beim 2. Aufstieg in die erste Liga hatten wir eine Riesenmannschaft mit Spielern wie Stefan Lex, Stephan Just und Andrej Kogut, um mal nur drei zu nennen. Kontinuierlich wurde der Zuschauerschnitt gesteigert und es ist dem Klub hoch anzurechnen, was bewegt wurde und was passiert ist. Die TSG hat sich einen Namen gemacht für junge deutsche Spieler, die sich immer wieder sensationell entwickeln, man denke nur an Erik Schmidt, Alexander Becker, Christian Klimek oder Evgeni Pevnov. Das macht schon ein Stück stolz.“ Und kommt zu dem Schluss: „Ich habe alles richtig gemacht und bin dankbar, dass hier alles so geklappt hat. Der Spaß ist in all den Jahren immer ganz oben gestanden, ganz extrem in den letzten beiden Jahren. Danke möchte ich meinen Eltern, die mich immer bedingungslos unterstützt haben. Sie haben alle Heimspiele gesehen und sind meine größten Fans. Auch Martina danke ich, die vieles entbehren musste, aber mich immer unterstützt hat. Es war eine schöne Zeit und jetzt habe ich dazu beitragen, dass die Jungs in der nächsten Saison erste Liga spielen. Das war der perfekte Abschied.“ So ganz geht Philipp indes nicht, denn ab der kommenden Spielzeit übernimmt der Eintracht-Frankfurt-Fan bei den Eulen das Amt des Teammanagers.
„Philipp ist in den Jahren immer loyal gewesen“, sagt Trainer Ben Matschke. „Er ist einer, der nie aufgibt, der immer vorausgeht, motiviert und Verantwortung übernimmt. Philipp ist einer, der sich immer den entscheidenden Wurf nehmen wird, davon gibt es nur wenige. Philipp war immer ein absolutes Vorbild und hatte stets eine super Einstellung. Was der Dauerbrenner in den Jahren geleistet hat, davor kann man nur den Hut ziehen.“
Carsten Hoffmann, der Sportliche Leiter, zeugt Respekt vor der Leistung des Ingenieurs, der seit einigen Jahren eine Doppelbelastung zu bewältigen hat: „Philipp ist ein absoluter Leistungsträger und hat eine tadellose Einstellung, er ist ein absoluter Profi. Aufgrund seines großen Wurfrepertoires ist er von allen Torhütern gefürchtet. Philipp ist einer, der viel für die gute Stimmung in der Kabine sorgt und mit seiner angenehmen Persönlichkeit viel für die Integration der jungen Spieler getan hat. Ein lustiger Typ, mit dem man viel lachen kann und der für jeden Schabernack zu haben ist. Er wird sportlich wie menschlich eine große Lücke hinterlassen.“
Dass Philipp ein ausgeprägter Fan der Fassnacht ist, hat sein Freund Felix Kossler verraten, mit dem er vier Jahre bei der TSG zusammenspielte: „In Kirchzell sind wir mal zu einer Fassnachtveranstaltung als siamesische Zwillinge gegangen. Dabei hatten wir einen Pullover getragen, der entsprechend erst aufgeschnitten und dann wieder zusammengenäht worden war. Die Rolle haben wir an diesem Abend konsequent durchgezogen, selbst zur Toilette sind wir zu zweit gegangen.“ Philipp und Spaß, das gehört einfach zueinander.
Quelle: PM TSG Ludwigshafen-Friesenheim