Das war ein Auftakt nach Maß: Mit einem Rekordergebnis startete der THW Kiel in die neue Saison der TOYOTA-Handball-Bundesliga. In einem immer einseiten Landesderby besiegten die Kieler die SG Flensburg-Handewitt mit 35:21 (16:7). Der 30. Bundesliga-Sieg der Zebras gegen den Erzrivalen aus dem hohen Norden war dabei der höchste der Geschichte: Noch nie lagen 14 Tore Unterschied zwischen beiden Mannschaften.
Die Kieler hatten dabei den Sieg bereits zur Pause fest im Blick. Überragende Akteure der Zebra-Herde waren Thierry Omeyer mit unglaublichen 26 Paraden und Kim Andersson: Der Schwede erzielte elf Tore und legte zahlreiche weitere Treffer auf.
Prickelnde derby-Stimmung gleich zum Auftakt: Zum ersten Mal in der langen Geschichte des Schleswig-Holstein-Duells trafen beide Kontrahenten gleich im ersten Spiel einer Saison aufeinander. Die Sparkassen-Arena war natürlich ausverkauft. Die Fans sahen beim Warmmachen der SG gleich eine Schwächung: Kreisläufer Michael V. Knudsen verletzte sich, sodass SG-Trainer Ljubomir Vranjes die in der Vorbereitung lange fehlenden Tobias Karlsson und Jacob Heinl bringen musste.
Und auch THW-Trainer Alfred Gislason konnte beim ersten Derby der Saison nicht aus den Vollen schöpfen: Henrik Lundström fehlte wegen einer Zerrung, Christian Zeitz wurde geschont. Dafür war aber Filip Jicha wieder einsatzbereit, der Tscheche erzielte in der zweiten Halbzeit vier sehenswerte Tore.
Nach fünf Minuten startete der Express
Genau fünf Minuten dauerte es, bis der THW-Express zum ersten Mal richtig Fahrt aufnahm. Omeyer zeigte den SG-Angreifern die kalte Schulter, und der starke Marcus Ahlm ließ sich auch von Trikot-Klette Karlsson nicht vom 4:2 abhalten. Omeyer parierte, und Ilic, Daniel Narcisse mit einem schnellen Tipp-Pass auf Ahlm zeigten Handball zum Zungeschnalzen. Glandorf verlor im Angriff den Ball, und Andersson zog unaufhaltsam zum 6:2 davon (9.) - das Publikum jubelte, und Vranjes zog früh die Auszeit-Notbremse. Die schien seine Mannen kurzfristig wieder in die richtige Bahn zu lenken: Eggert und Mogensen verkürzten - allerdings war das nur ein Strohfeuer. Die lodernde Handball-Glut entfachte nur der deutsche Rekordmeister. Immer wieder war die starke 5-1-Defensive mit Omeyer der Einheizer: Acht Minuten trieb die Zebra-Abwehr den SG-Angriff in immer neue Verlegenheiten, Nationalspieler Lars Kaufmann traute sich ebenso wie die Außen nicht mehr, Druck auf das Kieler Tor auszuüben. Und wenn dann doch einmal ein Ball durchkam, wurde er meist eine sichere Beute von Omeyer.
Vorentscheidung nach 18 Minuten
Vorne zauberte der THW, als ob es keine Pause gegeben hätte. Ilic' Traumpass verwerte Ahlm, der wenig später Nutznießer einer erneut tollen Kombination von Ilic und Andersson war. Dann legte Andersson für Ilic auf, der den Ball mit 104 km/h ins von Mattias Andersson bis zur 19. Minute gehütete Flensburger Tor drosch. Dann ließ sich der ehemalige Kieler entnervt auswechseln - zuvor hatte Omeyer mit einer Doppelparade gegen Glandorf und Svan Hansen die Fans von den Sitzen gerissen und Aron Palmarsson mit einem Einwurf den nach vorn geeilten Kim Andersson zum 11:4 bedient. Nach 18 Minuten war eine Vorentscheidung in diesem Derby gefallen, auch weil der THW selbst durch die munteren Wechselspiele im Rückraum nie den Faden verlor und Kim Andersson weiter grandios aufspielte. Aus dem Stand machte der Schwede das 13:6, dann bediente er Ahlm, der per Heber mit seinem fünften Treffer das 14:7 erzielte, ehe Andersson auch zum 15:7 traf. Sein sechstes Tor - unglaublich. Den Halbzeitstand von 16:7 besorgte Christian Sprenger mit einem gegenstoß kurz vor dem Pfiff.
THW sorgt für Flensburger Debakel
Wer auf Flensburger Seite auf einen nachlassenden THW gehofft hatte, sah sich schnell getäuscht. Auf flinken Beinen jagte die THW-Abwehr die SG über die Platte, Omeyer hielt weiter grandios, und der THW zauberte weiter. Narcisse verwandelte einen Gegenstoß mit 108 km/h zum 21:9. 38 Minuten hingegen benötigten die Flensburger für zehn Treffer: Lars Kaufmann überschritt mit seinem einzigen Tor diese Marke. Und selbst das Ausscheiden von Marcus Ahlm, der bei extrem heißen Temperaturen in der Sparkassen-Arena einen Krampf bekam und sich auswechselte, brachte kein Bruch ins Kieler Spiel. Ilic zauberte einfach mit Daniel Kubes weiter, der zum 22:11 einnetzte. Und ja, da war ja auch noch Filip Jicha: Nach einem unglücklichen Kurzauftritt in der ersten Halbzeit drehte der Tscheche, der während der Vorbereitung lange pausieren musste, wieder am Welthandballer-Regler, ging Eins-zu-Eins zum 24:12 und legte einen Rückraum-Kempa zum 25:12 nach (45.). Das war offenbar zuviel für einen Teil der Flensburger Fans: Sie rollten eine Viertelstunde vor dem Ende ihr Banner ein und verließen fluchtartig die Halle.
"Titi"-Sprechchöre und La Ola
Zehn Minuten vor dem Ende nahm Vranjes eine erneute Auszeit, um das drohende Debakel noch abzuwenden. Die SG konnte sich bei Svan Hansen und Anders Eggert bedanken, dass sie nicht noch deutlicher unterging. Neun Tore erzielten die Außen in der zweiten Halbzeit und betrieben so noch ein wenig Ergebniskosmetik. An der mehr als deutlichen Niederlage änderte jedoch auch das nichts: Jicha und Palmarsson erhöhten auf 30:16, nach einer erneuten Omeyer-Parade dankten die Kieler Fans ihm für seine grandiose Leistung mit "Titi"-Sprechchören, La Ola drehte sich um das Rund, und nach Kim Anderssons 13-Meter-Geschoss bei angezeigtem Zeitspiel sangen die schwarz-weißen Fans "Oh wie ist das schön". Schön war auch Anderssons Treffer von der halblinken (!) Position, schön war auch der Ilic-Kracher zum 33:20, schön war auch der letzte Gegenstoß, den Dominik Klein zum Endstand verwandelte. Schön war eigentlich alles an diesem ersten Handballabend der Saison, der für den THW Kiel die ersten zwei Punkte und eine gehörige Portion Selbstbewusstsein für die kommenden Aufgaben gebracht hatte.
Nächster Gegner der Kieler ist am kommenden Sonnabend der Aufsteiger TV Hüttenberg, der den Rekordmeister empfängt.
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Alfred Gislason: Heute war ich genauso zufrieden wie ich mit dem Super-Cup-Spiel unzufrieden war. In München haben wir unerklärlicher Weise mit angezogener Handbremse gespielt. Das war heute anders. Die Abwehr stand sehr gut, dahinter stand ein überragender Omeyer. Vorne haben wir sehr viel Druck ausgeübt, das war gut. Ich hatte allerdings viele Vorbereitungsspiele von Flensburg analysiert und dabei vor allem Knudsen als Schlüsselperson ausgemacht. Er ist Weltklasse, seinen Ausfall kann Flensburg nicht kompensieren. Mit Knudsen hätten wir mit der SG mehr Probleme bekommen. Marcus Ahlm hatte einen Krampf im Oberschenkel. In der Halle war es heute extrem heiß, da hätte Schlimmeres passieren können. Henrik Lundström hat sich vor drei Tagen eine Zerrung zugezogen und konnte deshalb nicht spielen. Ich freue mich riesig für die Mannschaft über diesen Start. Kompliment von meiner Seite: Das war viel besser als in München."
SG-Trainer Ljubomir Vranjes: Wir sind noch nicht richtig da, das haben wir heute bewiesen. Anfangs hatten wir ein paar Möglichkeiten, die hat Omeyer aber zunichte gemacht. Die Außen wollten dann nicht mehr springen, und der Rückraum hat zahlreiche Fehlentscheidungen getroffen. Daraufhin haben wir zuviele Gegenstoßtore kassiert. Das war schlecht von uns. Wir haben vieles von dem, was wir vorher besprochen hatten, nicht umgesetzt. Darüber bin ich sehr enttäuscht. Mit der Vorbereitung war ich eigentlich zufrieden, nur Karlsson und Heinl konnten einen Großteil nicht mitmachen. Nachdem sich Knudsen dann beim Warmmachen verletzt hatte, musste ich beide bringen. Das war so nicht geplant, und Heinl war schon nach fünf Minuten richtig tot. Nicht die Neuzugänge, sondern die ganze Mannschaft und ich stehen für die Niederlage. Wir haben nichts aus unserer letzten Niederlage in Kiel gelernt. Aber wir sind Profis, müssen schnell über heute sprechen und dann den Weg weiter gehen. Nur "vergessen" geht gar nicht. Aber man sollte bedenken: Wir haben heute in der Sparkassen-Arena gegen den THW verloren. Wir hatten vorher die Hoffnung, zwei Punkte zu holen. Aber wir sind nicht einmal in der Nähe des THW, das muss man sich eingestehen.
SG-Geschäftsführer Holger Kaiser: Es gibt im Sport schöne und bittere Momente, das heute war ein extrem bitterer Moment. Ein kollektives Versagen ohne Leidenschaft, Willen und Glauben. Aber: Unsere Mannschaft ist im Umbruch, da kann man nicht nach jedem Sturm gleich eine Arche Noah bauen. Wir glauben an den Neuanfang und stellen nicht gleich alles in Frage. Unsere Pläne sind langfristig.
THW-Geschäftsführer Klaus Elwardt: Gratulation an das Team und den Trainer für dieses hervorragende Spiel. Der Super Cup hat uns geholfen, heute schnell die Nervosität abzulegen. Titi war überragend und hat den Kasten zugenagelt. Kim hat dort weiter gemacht, wo er in München aufgehört hatte.
SG-Neuzugang Holger Glandorf: Wir haben eigentlich gar nicht so schlecht gespielt, gute Chancen herausgespielt, aber nicht die Tore gemacht. Dann hat man das Problem, dass es dann wie immer in Kiel ist: Man wird überrannt.
Es war das erste Spiel, wir haben nur zwei Punkte verloren. Es geht weiter. Wenn man sieht, dass wir in der ersten Halbzeit fünf, sechs Tore aus 6-gegen-6 bekommen, dazu zig Gegenstöße, weiß man, woran es liegt.
Quelle: http://www.toyota-handball-bundesliga.de