Berlin, Füchse, Nachwuchs und der DHB: Bob Hanning im Saison-Abschlussgespräch

19.06.2017 12:50
Die Füchse Berlin haben zwei große Vorbilder: Den FC Barcelona und Ajax Amsterdam. Als Manager Bob Hanning 2005 in Berlin anheuerte und den lizenzlosen Hauptstadt-Klub übernahm, versprach er zusammen mit dem Präsidenten Dr. Frank Steffel und dem Gesellschafter Ulrich Theis, einen etwas anderen Verein aufzubauen. Zwölf Jahre später sehen sich die Füchse mit zwei Vereins-WM-Titeln, einem DHB-Pokal, einem Europapokal und neun Deutschen Jugendmeisterschaften nah an ihren Zielen. „Berlinerhandball“ sprach mit Hanning nicht nur über die Füchse, sondern auch über den DHB und den Handball-Verband Berlin. Herr Hanning, Sie haben es sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht, junge, talentierte Spieler auszubilden. Doch mit Jaron Siewert gehen Sie nun noch einen Schritt weiter … Unsere Aufgabe ist es nicht nur, Spieler zu entwickeln, sondern auch Trainer für die Füchse und den deutschen Handball. Mit Max Rinderle haben wir einen hervorragenden Fachmann als Co-Trainer und Bindeglied zur Schule im Internat. Sein Fachwissen in beiden Bereichen ist ideal für uns. Er hat bei uns gespielt, kennt die Abläufe und weiß, was von jungen Menschen verlangt wird. Mit Jaron Siewert haben wir den jüngsten deutschen A-Lizenz-Trainer gemeinsam mit dem DHB entwickelt. Ein logischer Schritt ist nun der Wechsel zum TUSEM Essen in die zweite Bundesliga. Dort kann er seinen Weg weitergehen. Meine große Hoffnung ist, dass er einmal als Füchse-Trainer wieder zurückkommt, denn nichts ist größer als Motivation durch Identifikation. Die Füchse stehen momentan auf vielerlei Hinsicht besser da, als je zuvor. Profitiert davon der gesamte Berliner Handball? Wir wollen uns immer weiterentwickeln und dabei alle mitnehmen. Unsere Unterstützung beispielsweise für den Handball-Verband Berlin ist hier ein wichtiger Baustein, da auch die Vereine um uns herum wachsen müssen. Auch die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnervereinen ist uns sehr wichtig. Die Vielfalt darf in einer Stadt trotz aller Professionalität nicht verloren gehen. Viele unserer Partner sind deshalb auch Partner des HVB. So hat der Verband eine wirtschaftlich stabile Basis und konnte zum Beispiel 75 Laptops zur Verfügung stellen und auf jegliche Art von Gebühren-Erhöhung verzichten. Dies ist um das Präsidium von Thomas Ludewig und der Geschäftsführung von Toni Büttner sicher auch eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Die Füchse wurden unlängst von der Handball-Bundesliga als bestes Jugend-Nachwuchszentrum Deutschlands bewertet. Wie haben Sie das geschafft? Den Anspruch, in Deutschland die Nummer eins zu sein, haben wir mit einer Gold- und einer Silbermedaille in den Deutschen Jugendmeisterschaften diese Saison eindrucksvoll bewiesen. Nun haben wir neun Meistertitel an die Spree geholt. Aber dies wäre ohne unsere Partner nicht im Ansatz möglich gewesen. Auch hier unterstützen uns große Firmen auf einzigartige Weise und gehen den Weg, das Geld in den Nachwuchs zu investieren, beispielhaft mit. Ein besonderer Dank gilt hier der Sparkasse, der BSR, der AOK, der DKB und unserem Hauptsponsor, der Deutsche Wohnen AG. Die A-Jugend, die Sie diese Saison trainiert haben, hat die Silbermedaille der Deutschen Meisterschaft gewonnen und ist nur wegen der Auswärtstor-Regel knapp am Titel gescheitert. Sind Sie dennoch zufrieden mit dem Abschneiden Ihres Teams? Wenn ich ehrlich bin, nicht. Und dies nicht aufgrund des nicht gewonnenen Titels. Ich war mit der Leistung in Wetzlar sehr zufrieden. Es ist viel mehr Folgendes: Meine Mannschaft hat meistens nur unter Druck gut agiert, was mir zeigt, dass viele damit zufrieden sind, bei den Füchsen zu spielen und sie die vielen Bequemlichkeiten gern annehmen. Aber es passiert noch zu wenig von innen heraus. Wer Profi werden will, muss jeden Tag besser werden wollen und nicht nur konsumieren. Hier werden wir einiges verändern. Die B-Jugend hat wiederum wegen der Auswärtstor-Regelung den Titel nach Hause geholt. In einem Herzschlagfinale. Sehr cool und routiniert war das. Für eine B-Jugend eher untypisch, muss ich sagen. Mit der Leistung bin ich sehr zufrieden – aber auch hier müssen wir gerade im Technikbereich noch deutliche Fortschritte erzielen. Hier stimmt die Tendenz. Die zweite Füchse-Mannschaft hat in der Oberliga einen Mittelfeldplatz erreicht. Sicherlich nicht das, was Sie erwartet haben? Doch, genau das war, was ich befürchtet habe. Wir lassen seit Jahren unsere Spieler gerne gehen und werden deshalb am Ende der Saison vermutlich den 24. und 25. Spieler in die erste und zweite Liga entlassen. Wir mussten erkennen, dass der Leistungsgedanke in dieser Mannschaft nicht so gegeben war, wie wir es uns gewünscht hatten. Auch haben wir für uns festgestellt, dass wir eine Drittligamannschaft im eigenen Verein zur Ausbildung benötigen. Hier haben wir an vielen Stellschrauben für die neue Saison gedreht. Es war spannend zu sehen, wie viele unserer neu verpflichteten Spieler Angebote höherklassiger Vereine hatten aber trotzdem in unserer Oberligamannschaft spielen wollten, um die unfassbaren Möglichkeiten der Talentförderung zu nutzen. Dies hatte ich eigentlich auch von unseren alteingesessenen Spielern erwartet. Das, was wir deshalb im Gesamtsystem verändern müssen, wird für einige ein schmerzlicher Prozess sein. Was gilt es, im Nachwuchs grundsätzlich zu verändern? Erstmal haben wir alle unfassbar viel richtig gemacht. Dennoch müssen wir bei allem Loben des DHB und der HBL jetzt einige Dinge kritisch hinterfragen. Was meinen Sie damit? Ich glaube, dass wir zu viel mit unseren Jugendlichen spielen und zu wenig qualifiziert trainieren. Und dass wir eine noch bessere Belastungssteuerung für Jugendnationalspieler finden müssen. Haben Sie dafür ein Beispiel? Ich nenne mal zwei: Viele HBL-Clubs haben einen kleinen Kader in ihren Drittligamannschaften. Eine Menge Spieler müssen am Wochenende deshalb doppelt spielen. Nehmen wir nur beispielhaft ein großes Talent aus Balingen, das zwischen den Spielen der Deutschen Meisterschaft noch für die zweite Mannschaft aufläuft und sich prompt das Kreuzband reißt. Wir brauchen hier eine komplett andere Herangehensweise, ich werde dies auf der Ligatagung auch nochmal ansprechen. Auch der DHB muss weniger spielen und mehr trainieren. Nehmen wir hier das Jugendturnier in Portugal, wo zum Teil unsere Bundesligaspieler hinfahren, um dann festzustellen, dass weder die Franzosen noch die Spanier ihre Kader zur Verfügung stellen und Portugal gar mit zwei Jahre jüngeren Akteuren anreist. Hier wäre ein Training oder das Verbleiben in den Vereinen sicherlich sinnvoller gewesen. Das könnte man durchgängig weiter so besprechen, wir werden uns aber im DHB dieser Verantwortung stellen, da wir die Tendenzen erkannt haben und gemeinsam mit der Handball-Bundesliga noch besser werden wollen. Kommen wir zu den Profis. Alle Ziele wurden erreicht, aber es war noch Luft nach oben. Kann man sich da beschweren? Platzierung und Titel stimmen. WM-Pokal, Europapokal-Vize und Platz vier … das passt. Aber dennoch sind wir uns alle bewusst, dass etwas Besonderes zum Abschluss gefehlt hat. Ich glaube, wir haben uns gut verstärkt und ich hoffe auf eine verletzungsfreie kommende Saison um zu gucken, ob wir eine der drei Mannschaften oben ein Stückchen mehr ärgern können. Dazu müssen wir nach unten gegen die aufkommende Konkurrenz aus Melsungen und Magdeburg, Göppingen, Hannover und Leipzig bestehen. Apropos Leipzig: der SC DHfK und der Deutsche Handballbund hatten zuletzt wegen des Trainerwechsels viel miteinander zu tun. Wie blicken Sie als DHB-Vizepräsident auf die Saison zurück? Wir haben spannende Monate hinter uns und die Europameisterschafts-Quali souverän geschafft. Mit Christian Prokop haben wir einen guten Nachfolger für Dagur Sigurdsson gefunden. Bei den Frauen machen Michael Biegler und Wolfgang Sommerfeld eine wirklich herausragende Arbeit. Ich bin unterm Strich trotz der Niederlage gegen Katar bei der WM zufrieden. Nicht umsonst haben wir das Ranking als beste Nation im Gesamten gewinnen können. Die Entwicklung im Verband stimmt mich ebenfalls positiv. Quelle: PM Füchse Berlin

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