Daniel Luther sagt nach 22 Jahren
ThSV EisenachTschüß vom aktiven Handball/ Abschiedsspiel am Freitagabend
Luther und Eisenach, das kennt nahezu jeder. Da ist der große Reformator Martin Luther (1483 bis 1546), der als „Junker Jörg“ auf der Wartburg getarnt, das Neue Testament in die deutsche Sprache übersetzte. Da ist in jüngster Zeit der Handballer Daniel Luther, der eine besondere Eigenschaft vorweist. Vereinstreue. In der heutigen Zeit eine Rarität. Daniel Luther trug nahezu 22 Jahre das Trikot des ThSV Eisenach, eines echten Traditionsvereines, dessen Vorgänger Motor Eisenach im Herbst 1958 den Titel des Deutschen Meisters im Feldhandball der DDR bejubelte. Daniel Luther verlässt die Handballbühne, nach 375 Pflichtspielen für die erste Mannschaft des ThSV Eisenach in der 1. und
2. Handball-Bundesliga sowie in der 3. Liga. in denen er 904 Treffer markierte. 32-jährig sagt er Tschüss. Also noch im besten Handball-Alter. „Es war meine eigene Entscheidung in der Risikobewertung, zum Wohle meiner Gesundheit und meiner Familie“, betont der Rückraumspieler, den seine Freunde nur „Eisen“ rufen. Verletzungen im Laufe der Handball-Karriere blieben nicht ohne Folgen. Da waren fortwährende Rückenprobleme, die immer wieder zu Pausen zwangen, da war die Achillessehnen-Verletzung, die zu einer nahezu einjährigen Handballpause zwang, die ihn aber auch privat enorm belastete. „Gerade war mein Sohn geboren, ich konnte nicht laufen, nicht im Haushalt helfen“, erinnert sich Daniel Luther, Eigentlich wollte er schon früher zumindest kürzertreten; doch da kam der erstmalige Abstieg in die 3. Liga. Beim Unternehmen sofortiger Wiederaufstieg war Daniel Luther so wertvoll wie kaum zuvor. Sead Hasanefendic, die zum ThSV Eisenach gekommene Trainerikone, hielt Daniel Luther im linken Rückraum, aber auch als Alternative für die mittlere Aufbauposition, für unersetzlich. „Sead Hasanefendic hat im Umgang mit den Spielern das richtige Händchen bewiesen“, betont Daniel Luther. Galt es Siebenmeter zu verwandeln, war Daniel Luther zur Stelle. Und das mit einem Spitzenwert! „Mir war wichtig, den Übergang ins Berufsleben zu schaffen“, unterstreicht Daniel Luther. Bereits im Vorjahr arbeitete er halbtags bei der Firma Ziegler in Hörselberg-Hainich. „So ein Übergang vom Handball ins Berufsleben ist nicht einfach. Ich wurde aber sehr wohlwollend von allen Arbeitskollegen empfangen, die mir viel beibrachten, sodass ich nun voll Tags in Schichten als Techniker in dieser Firma arbeite“, berichtet Daniel Luther. Und eines streicht er auch heraus, was sich gegenüber der Handballzeit geändert hat: „Abends gehe ich ohne Schmerzen ins Bett. Morgens brauche ich nicht mehr eine Stunde, um mich komplett richtig bewegen zu können.“ Er ergänzt, „und endlich habe ich auch am Wochenende frei, kann spontane Entscheidungen treffen, bin nicht durch einen Spielplan gefesselt“.
Der ThSV Eisenach schaffte mit Daniel Luther den sofortigen Wiederaufstieg in die
2. Handballbundesliga. Zur Aufstiegsfeier im Thüringer Handballtempel, der Werner-Aßmann-Halle, nahm der ThSV Eisenach in einem bewegenden Moment Daniel Luther in die „Hall of fame“ auf. Das ThSV-Fanprojekt verlieh „Eisen“ – als zweiten Spieler überhaupt – die Ehrenmitgliedschaft. Mit einem Abschiedsspiel am Freitag, 17.01.2020 ab 19.30 Uhr in jener Halle, die nahezu 22 Jahre sein zweites Zuhause war, verabschiedet sich Daniel Luther vom Handballparkett. Die aktuelle Eisenacher Zweitbundesliga-Mannschaft trifft auf ein Team „Eisen & friends“ mit vielen ehemaligen Mitspielern von der Jugend an, das gecoacht wird von Eisenachs Trainerlegende Rainer Osmann und Maik Handschke, von 2008 bis 2010 Trainer von Daniel Luther beim ThSV Eisenach.
Wir trafen uns mit Daniel Luther auf eine Tasse Kaffee, um auf seine aktive Handballzeit zurückzublicken.
Sie kamen in der 3. Schulklasse zum Handball, zum ThSV Eisenach…?
Ich hatte schon mehrerlei ausprobiert, hatte bei den Leichtathleten geschnuppert, war mal beim Karate und auch beim Schwimmen. Beim Handball bin ich dann hängengeblieben.
Was hat Sie all die Jahre am Handball fasziniert?
Der Sport an sich; alles, was ich gut empfunden habe. Ich brauchte viel Bewegung, da war ich beim Handball richtig. Ich habe mit Mannschaftskameraden schon vor und auch nach dem offiziellen Training mit dem Ball gespielt. Und da waren natürlich Ende der 90er Jahre die großen Vorbilder im eigenen Verein, in der 1. Handballbundesliga. Ich habe als kleiner Fan hinter der Bande gehockt und mitgefiebert. Natürlich gab es den Traum, selbst einmal da zu stehen. Wohin geht die Reise, als ich vom Jugend- in den Männerbereich aufrückte, in der zweiten Männermannschaft spielte? Ich durfte in der 1. Mannschaft mittrainieren, bekam dann mit Schiffi (Alexander Schiffner) das Zweitspielrecht beim HSV Bad Blankenburg aufgedrückt, um Spielpraxis zu sammeln. Maik Handschke, der damalige Eisenacher Zweitbundesliga-Trainer war jedes Wochenende in Bad Blankenburg, um uns selbst zu beobachten. Maik Handschke hat Schiffi und mich praktisch richtig entdeckt, uns Vertrauen geschenkt und in die 1. Mannschaft des ThSV Eisenach integriert.
Bekommen Sie Ihre Trainer noch zusammen?
Ich begann ja in der D-Jugend. Da waren Peter Hattenbach und Regina Berg meine Trainer. Später waren es Peter Hattenbach und Andreas Herold sowie Stephan Albrecht. Im A-Jugend Bereich trainierte ich unter Leitung von Matthias Allonge und Andreas Schwabe. Frank Ihl war mein Trainer in der zweiten Männermannschaft. In der ersten Mannschaft hießen meine Trainer Zdeno Vanek, Achim Ursinus, Maik Handschke, Adalsteinn Eyjolfsson, Velimir Petkovic, Gennadj Chaleppo, Christoph Jauernik, Arne Kühr und Sead Hasanefendic. (Ich hoffe, ich habe keinen vergessen.)
Welche Erfolge gibt es zu vermerken?
In den Nachwuchs-Altersklassen holten wir jedes Jahr souverän den Landesmeistertitel, machten bei den anschließenden Südwestdeutschen Meisterschaften zumeist eine gute Figur. Das machte uns alle sehr stolz. Mit der ThSV-B-Jugend landeten wir auf dem 3. Platz der deutschen Meisterschaft!! Was bleibt besonders haften? Natürlich die ersten Einsätze in der 1. Mannschaft: Und wenn dann noch gewonnen wurde, ein Traum ging in Erfüllung. Die weiteren Höhepunkte: die Qualifikation für die eingleisige 2. Handballbundesliga, die beiden Erstliga-Aufstiege und zuletzt der Aufstieg von der 3. in die 2. Liga. Wobei ich auf die Spiele in der 3.Liga gern verzichtet hätte…
Was waren eher „schwarze Stunden“?
Das dunkelste Kapitel meiner Laufbahn war die Abstiegssaison in die 3. Liga. Das muss freilich im Zusammenhang betrachtet werden, was da passiert ist. Personelle Umbrüche innerhalb kürzester Zeit mit einer ungünstigen personellen Zusammensetzung. Es passte einfach nicht. Eisenachs über Jahre prägende besondere Stärke, das Miteinander, war nicht da. Wir waren weder eingespielt, noch hatten wir Vertrauen in uns selbst als Spieler und als Mannschaft. Hinzu kamen die „Nebengeräusche“, ja der „Rosenkrieg“ in der Führungsetage. Uns wurde immer wieder gesagt, wir sollen das ausblenden, doch Spieler sind keine Maschinen. Das Konstrukt in der Leitung und im Spielerbereich passte einfach nicht. Die nahezu logische Konsequenz, der Abstieg in die 3. Liga.
Im Laufe einer solch langen Karriere bleiben Verletzungen nicht aus?
Davon gab es nicht wenige. Oft habe ich mir die Finger ausgekugelt, bin umgeknickt, was mein Fußgelenk stark beeinträchtigte. Da waren ständige Rückenschmerzen, deren Ursache, eine Wirbelbogenfraktur, erst spät diagnostiziert wurde. Das beeinträchtigte mich lange. Da kam beim Auswärtsspiel in Hüttenberg der Achillessehnenriss, eine der „Horrorverletzungen“ von Sportlern.
Welche Trainer waren die prägendsten?
Jeder Trainer hat auf seine ganz spezielle Art und Weise mitgewirkt, mit jedem konnte ich Erfolge feiern, bin mit jedem klar gekommen. Befindlichkeiten haben keine Rolle gespielt. Im Laufe der fast 22 Jahre hat sich der Handball, haben sich die Spieler weiterentwickelt. Den klassischen Rückraum-Linken gibt es nicht mehr, er wird auch auf Rückraum Mitte eingesetzt. Das ist ein Entwicklungsprozess der letzten Jahre, jetzt auch bei der EM zu sehen.
Mit welchen Teamkollegen haben Sie am liebsten zusammengespielt?
Es gibt nur ganz wenige Spieler, mit denen ich nicht gern zusammengespielt habe. Ich möchte keinen Namen nennen. Ich habe in den verschiedenen Etappen meiner Laufbahn mit vielen Spielern Spaß und Erfolg gehabt.
Wer waren die kantigsten, die unangenehmsten Gegenspieler?
In Spielen, wo es bereits im Vorfeld so richtig gebrannt hat, beispielsweise in besonderen Derbys, da ging es richtig zur Sache, wurde es auch ruppig. Das waren aber auch jene Spiele, in denen es richtig Spaß gemacht hat, obwohl da Handball mehr gekämpft als gespielt wurde. Handball ist eben eine Vollkontakt-Sportart. Die kantigsten Abwehrspieler hatte ich eigentlich in meiner eigenen Mannschaft, manchmal zu meinem Nachteil im Training. Wer fällt mir da ein? Natürlich Branimir Koloper, Nicolai Hansen und Duje Miljak. Da tat`s richtig weh….
Was waren für Sie beeindruckende Erlebnisse?
In großen und bis auf den letzten Platz gefüllten Arenen, wie die Kieler, zu spielen, das war schon sehr beeindruckend. Beeindruckend natürlich unsere Halle, wenn s richtig kochte, das Fass zum Überlaufen kam, die Decke abzuheben drohte!
Sie trugen fast 22 Jahre ununterbrochen das Trikot des ThSV Eisenach. Gab es kein „Lüstchen“ zum Wechseln?
Die eine oder andere Anfrage gab es. Ein Wechsel wäre finanziell sinnvoll und lukrativ gewesen, doch was nutzt das, wenn man sich woanders nicht wohl gefühlt hätte. Ich pflege in Eisenach viele Freundschaften, habe hier meine Familie, einen großen Bekanntenkreis, fühle mich in meiner Heimatstadt wohl und geborgen. Das ist nicht mit Geld aufzuwiegen.
Können Sie sich an wichtige Tore erinnern?
Nicht nur wichtige Tore, sondern auch wichtige Pässe zum Kreisspieler, davon gab es einige. Ich erinnere mich an einen Freiwurftreffer in letzter Sekunde in Bietigheim, der uns einen überraschenden Punktgewinn bescherte. Das war ein sportliches Hoch. Eine Woche später folgte das persönliche Tief mit dem Achillessehnenriss.
Sie erwähnten es bereits, auf die Drittliga-Punktspiele hätten Sie gern verzichtet?
Wir mussten den Gang tun. Ehrlich, die 3. Liga ist eine andere Handball-Welt. Das war schon eine Umstellung! Im Spiel selbst und bei den Rahmenbedingungen. Auch bei den Schiedsrichtern, die manchmal mit einer unerklärlichen Arroganz aufwarteten.
Werden Sie die Werner-Aßmann-Halle vermissen?
Warum vermissen? Ich komme doch oft als Zuschauer. Wenn es die Zeit erlaubt, komme ich mit meinem Sohn Hannes. Ich wohne zudem nicht weit weg von der Werner-Aßmann-Halle.
Gab es Wegbegleiter in dieser langen Zeit, die ihnen wohl für immer in Erinnerung bleiben?
Da gab es die wenigen Konstanten, die mich begleiteten: die Hallenmeister der Werner-Aßmann-Halle Uwe Teichmann und Frank Meyhöfer, der stets zugängliche Hallenmeister der Jahnsporthalle Jens Wachsmuth. Sie haben kurzfristige Trainingseinheiten oder auch verlängertes Training ermöglicht. Da waren die Mannschaftsleiter und Betreuer, Ralf Illert, der leider viel zu früh verstorbene Knut Schauer sowie zuletzt Ronny Oelschläger und Volker Wesemann, die stets rasch Lösungen für viele Dinge gefunden haben. Ihnen allen gilt mein ganz persönlicher Dank!
Können Sie sich vorstellen als Trainer oder Funktionär beim Handball mitzuwirken?
Nein. Ich war Spieler und das 22 Jahre. Gern. Punkt.
Ihnen wurden zwei hohe Ehrungen zuteil. Der ThSV Eisenach nahm Sie in die „Hall of fame“ auf, Sie wurden Ehrenmitglied des ThSV-Fanprojektes. Wie ordnen Sie das ein?
Zwei ganz große Ehrungen, für die ich sehr, sehr dankbar bin. In die „Hall of fame“ wurde ich als erster noch aktiver Spieler aufgenommen. Ein ganz hoher Stellenwert! In die „Hall of fame“ aufgenommen zu werden, das haben sicherlich auch andere Spieler verdient, die mit ganz viel Herzblut für diesen Verein am Ball und leidenschaftlich geackert haben. Ehrenmitglied des ThSV-Fanprojektes, nach Stephan Mellack erst das zweite, eine ganz große Auszeichnung für mich!
Empfehlen Sie Ihrem Sohn den Handballsport?
Ich empfehle ihm nichts. Er wird sich für das entscheiden, was ihm am meisten Spaß macht. Ich werde meinen Sohn in keine Richtung drängen.
Was trauen Sie dem ThSV Eisenach in dieser Saison zu?
(Lacht) Mal sehen, wie die aktuelle ThSV-Zweitligamannschaft gegen mein Team „Eisen & friends“ zurechtkommt. Danach werden wir sehen, wohin der Zug in der 2. Liga rollt. Spaß beiseite, wichtig waren die Siege in vier aufeinanderfolgenden Heimspielen während der Hinrunde. Da hat das Team überzeugt. Gegen etliche Mannschaften der Liga, siehe die letzten Begegnungen, hat sie noch kein Mittel gefunden. Als Aufsteiger aus der 3. Liga heißt das oberste Ziel natürlich Klassenerhalt. Angesichts der Qualität im Spielerstamm wurde als Saisonziel ein Platz im Tabellen-Mittelfeld angegangen. Nach dem Umbruch im Sommer hat die Mannschaft schon bewiesen, gut zusammenspielen zu können, aber es ist noch nicht das eingespielte Team, das wir uns wünschen. Aber sie sollte es werden!
Quelle: PM
ThSV Eisenach