Zwei Mannschaften, die sich nahezu 60 Minuten lang auf Augenhöhe duellieren – da darf es am Ende eigentlich keinen Sieger geben. Und doch hatten die Hausherren das entscheidende Quäntchen Glück, was auf der anderen Seite den Gästen fehlte. So durften sich die Füchse Berlin nach einem 13:14-Halbzeitrückstand über einen 32:30-Erfolg über die MT Melsungen freuen. Das Pendel hätte genauso gut in die andere Richtung ausschlagen können. Beste Torschützen in der zuschauerlosen Berliner Max-Schmeling-Halle waren Hans Lindberg (11/6) für die Hauptstädter und Timo Kastening (7/1) für die Nordhessen.
Melsungen ging mit der gleichen Formation ins Spiel, die zuletzt gegen den Bergischen HC erfolgreich war, also von links nach rechts mit Yves Kunkel, Julius Kühn, Lasse Mikkelsen, Kai Häfner, Timo Kastening, am Kreis Arnar Arnarsson und im Tor Silvio Heinevetter. Der Keeper, der 11 Jahre lang das Füchse-Dress getragen hatte, wurde übrigens kurz vor dem Anpfiff nochmal offiziell verabschiedet, weil dies wegen der im Frühjahr abgebrochenen Saison nicht möglich war. In der Abwehr kam jeweils Kapitän Finn Lemke für Lasse Mikkelsen.
Die Berliner erwischten den besseren Start und legten gleich mal zwei Treffer vor, obwohl Hans Lindberg schon nach 79 Sekunden einen Zeitstrafe erhalten hatte. Danach traf zuerst Mijajlo Marsenic vom Kreis, zwei Minuten später Regisseur Jacob Holm aus dem Rückraum. Dazwischen lieferte Keeper Dejan Milosavljev eine Kostprobe seines Könnens ab.
Nach gut vier Minuten platzte dann auch bei der MT der Knoten. Und wie. Mit einer Dreiersalve innerhalb von nur 85 Sekunden drehten die Rotweißen den Spieß um: Arnar Arnarsson, Yves Kunkel und Kai Häfner erzwangen das 2:3. Es hätte kurz darauf auch das 2:4 folgen können, aber Kunkel scheiterte frei von sechs Metern an Milosavljev. Auf der anderen Seite war aber auch Silvio Heinevetter heiß gelaufen, entschärfte einen aussichtsreichen Wurf aus nächster Nähe von Fabian Wiede.
Dann setzten die Füchsen zu einem kleinen Lauf an, holten sich dank zweier Treffer von Lasse Andersson und einem von Jacob Holm die Führung zurück (5:3, 10.). In der Folge blieb es weiter knapp und damit spannend: Berlin war zwar bemüht, sich etwas abzusetzen, aber das wusste Melsungen stets zu verhindern. Zum einen, weil die Defensive einschließlich des Keepers funktionierte, zum anderen, weil vorne die Chancen, bis auf wenige Ausnahmen, in Tore umgemünzt werden konnten.
Über 5:5 (11.), 8:8 (19.) und 10:10 (25.) ging es ausgeglichen in die Endphase der ersten Halbzeit. Zwischendurch hatte Gudmundur Gudmundsson ein Timeout genommen und Felix Danner für Arnar Arnarsson, der sich wegen eines Kopftreffers in der Kabine behandeln lassen musste, an den Kreis beordert.
In den letzten fünf Minuten dieses Durchgangs ging es in schönster Ping-Pong-Manier weiter, die Tore fielen hüben wie drüben im Wechsel. Weil sich aber Timo Kastening zwei Sekunden vor dem Pausenpfiff ein Herz fasste und von neun Metern mit einen kernigen Schlagwurf die Füchse-Abwehr samt Torwart überraschte, nahm die MT ein nicht unverdientes 13:14 mit in die Kabine. Zu diesem knappen Spielstand hatten nicht unwesentlich beiderseits auch die Torleute beigetragen. Sowohl Silvio Heinevetter als auch Dejan Milosavljev überzeugten mit sehr guten Quoten jenseits von 40 Prozent gehaltener Bälle.
Im zweiten Durchgang konnten beide Kontrahenten nicht mehr an das insgesamt sehr ansehnliche Niveau aus Halbzeit eins anknüpfen. In den Reihen der Füchse und der MT schlichen sich nun mit zunehmender Spieldauer technische Fehler ein. Anspiele, die ihr Ziel nicht fanden, aussichtsreiche Torchancen, die nicht genutzt oder einfach Bälle, die vertändelt wurden – kurzum, es war alles dabei, was die Trainer beider Teams mehr oder weniger zum Haareraufen veranlasste. Dennoch taten diese Menetekel der Spannung keinen Abbruch.
Als die MT jeweils mit drei Toren die Nase vorn hatte (15:18, 36.; 16:19, 39.) keimte bei den Nordhessen eine zarte Hoffnung auf, das Spiel und den Gegner jetzt zusehends in den Griff zu bekommen. Doch die Melsunger waren es selber, die den Gegner wieder zurück ins Spiel brachten. Unter anderem ein Ballverlust von Lasse Mikkelsen und ein Fehlpass von Kai Häfner ermöglichten den Füchsen, das Heft mit 21:20 wieder in die Hand zu nehmen. Zu spielen war ab diesem Zeitpunkt noch eine gute Viertelstunde. Viel zu lange also, um schon von einer vorentscheidenden Trendwende zu sprechen.
Zumal die Gäste den Hausherren auf den Fersen blieben. Wesentlicher Garant dafür: ein in Topform spielender Timo Kastening, der sowohl aus dem Feld heraus, wie auch von der Strafwurflinie jede Gelegenheit nutzte, um sein Erfolgskonto auszubauen. Und das mit zum Teil spektakulären Würfen, wie etwa den beiden lehrbuchreifen "Drehern" zum 26:25-Anschluss (51.) und zum 27:27-Ausgleich (55.). Unterstützung als Goalgetter erhielt der Rechtsaußen von Lasse Mikkelsen. Der Regisseur bewies im zweiten Durchgang mit vier Treffern alte Torgefährlichkeit.
Bei den Füchsen waren es im Wesentlichen Spielmacher Jacob Holm, der in der Schlussphase immer mehr auftauende Fabian Wiede und der schon das ganze Spiel über nervenstarke Hans Lindberg, die für die nötigen Treffer sorgten. Auch wenn Lindberg zwischendurch mal in Nebojsa Simic seinen Meister fand. Der MT-Keeper war übrigens in der 49. Minute für Silvio Heinevetter ins Spiel gekommen.
Auf des Messers Schneide stand die Begegnung dann beim 29:28. Gerade hatte Kai Häfner den Anschluss besorgt und damit seinen Farben neue Hoffnung beschert. Als kurz darauf Hans Lindberg auf 30:28 stellt, legt Gudmundur Gudmundsson bei 56:41 gespielten Minuten die Grüne Karte. In der Auszeit wird der Plan für den Angriff verabredet. Der erhoffte Erfolg indes will sich nicht einstellen. Im Gegenteil, die MT quittiert den Vorstoß mit einem Ballverlust und kassiert im Gegenzug das 31:28 vom bis dahin glücklosen Linksaußen Tim Matthes.
Drei Tore Rückstand bei noch 76 Sekunden verbleibender Spielzeit – das war die vorweg genommene Entscheidung zugunsten der Füchse. Fazit: Eine Kräftemessen zweier gleichwertiger Mannschaften mit einem glücklichen, aber nicht unverdienten Sieger. Es hätte durchaus auch andersherum ausgehen können – was die MT-Cracks aber nur bedingt tröstet.
MT-Stimmen zum Spiel:
Silvio Heinevetter: Wir haben in der ersten Halbzeit einen gute Abwehr gestellt und an einem Erfolg gerochen. In der zweiten Halbzeit haben wir den Gegner jeweils zu nah herankommen lassen und sind immer passiver geworden. Das war der Knackpunkt.
Timo Kastening: Gegen einen starken Torhüter Tore zu werfen, macht natürlich immer Spaß (lacht). Wir haben in der zweiten Halbzeit keinen Zugriff mehr auf den Gegner bekommen und uns im Angriff einige technische Fehler erlaubt. Berlin hatte heute die breitere Bank und damit das Spiel für sich entschieden
Füchse Berlin – MT Melsungen 32:30 (13:14)
Füchse: Milosavljev (1.-54. Min., 12 Paraden/27 Gegentore), Genz (55.-60. Min. 1 P./3G.) – Ernst, Wiede 4, Holm 6, Gojun, Andersson 6, Lindberg 11/6, Simak, Matthes 1, Kopljar, Koch 1, Marsenic 3, Drux.
Melsungen: Heinevetter (1.-48. Min., 9 P.,/25 G.), Simic (49.-60. Min., 1 P./7 G.) – Maric 1, Kühn 6, Lemke, Reichmann, Kunkel 2, Mikkelsen 5, Danner, Arnarsson 2, Allendorf, Pregler 1, Häfner 6, Salger, Kastening 7/1, Kompenhans.
Schiedsrichter: Julian Köppl (Düsseldorf) / Denis Regner (Nieder-Olm)
Zeitstrafen: 4 Min. – 4 Min. (Holm, Lindberg – Maric, Lemke)
Strafwürfe: 6/6 – 1/1
Das nächste Spiel:
Do., 10.12.20, 19:00 Uhr, MT Melsungen – HSC 2000 Coburg, Rothenbach-Halle Kassel
Quelle: Pressebericht von Bernd Kaiser, MT Melsungen
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