"Ich sehe mich klar in der Pflicht"

16.09.2009 8:09
Wir sprachen mit Michael Kraus nach den ersten beiden Saisonspielen über die vergangenen Tage und seine Ziele mit dem TBV Lemgo in dieser Saison. Frage: Michael, es liegen bewegte Tage hinter der Mannschaft und dem Umfeld des TBV. Michael Kraus: Das ist richtig und ich muss sagen, dass ich so etwas auch nicht mehr erleben möchte. Wir haben eine schlechte Vorbereitung gespielt und wir haben in León versagt, das muss man so knallhart sagen. Da müssen wir uns aber im Prinzip als Mannschaft zuvorderst an die eigene Nase fassen. Wir haben die sportliche Zielsetzung nicht verwirklichen können, daraufhin kam es zur Trennung von Markus Baur und Daniel Stephan, das raste alles wie im Zeitraffer an einem vorbei. Mittlerweile ist nun eine andere Situation eingetreten, das geht so unheimlich schnell, dass man kaum Zeit zum Reflektieren hat. Frage: Du hattest Dir aber schon frühzeitig diese Zeit dennoch genommen. Michael Kraus: Das ist richtig. Ich habe mich nach der Rückkehr aus Spanien noch bei Markus Baur und Daniel Stephan für meine Leistungen entschuldigt, denn das war nicht das, was ich von mir erwarten kann und von mir erwarten muss. Frage: Was heißt das genau? Michael Kraus: Als Spielmacher muss ich in der Lage sein, eine Mannschaft zu führen. Insbesondere dann, wenn es nicht gut läuft auf dem Feld. Das habe ich in Spanien leider nicht geschafft und auch mit meiner individuellen Leistung war ich nicht zufrieden. Von daher sehe ich mich da ganz klar in der Pflicht und ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass wir die Champions League nicht erreicht haben. Frage: Das hört sich sehr selbstkritisch an. Michael Kraus: Sicherlich. Aber ich kann doch nicht den Anspruch erheben, in der Nationalmannschaft ein Führungsspieler zu sein und im Verein lässt es mich kalt, wenn wir schlecht spielen. Jeder einzelne Spieler muss jederzeit versuchen seine Leistung abzurufen, sein Potenzial auszuschöpfen, um das Ganze nach vorne zu bringen. Frage: Es war mittlerweile an verschiedenen Stellen zu lesen, dass insbesondere Michael Kraus mit Ansagen und Vorschriften der sportlichen Leitung unzufrieden gewesen wäre. Michael Kraus: Das ist absoluter Blödsinn und das macht mich richtig wütend. Da wird etwas von Kleiderordnung, von Essensplänen etc. geschrieben. Welche Mannschaft im Profibereich tritt denn abseits des Feldes nicht einheitlich angezogen auf? Das ist doch normal. Und bei uns hat auch niemand kontrolliert, dass morgens 254 Gramm Müsli der Marke XY auf dem Teller liegen. Da wird jetzt einfach etwas geschrieben und ich als vermeintlicher Anführer in den Fokus gerückt. Frage: Die Verärgerung ist Dir anzumerken… Michael Kraus: Absolut! Ich mache ja keinen Hehl daraus, dass ich sicherlich eine Mitschuld an der Entwicklung trage – weil ich als Handballer nicht meine Leistungen abgerufen habe. Das ist entscheidend. Nichtsdestotrotz hatten und haben Markus und ich immer ein super Verhältnis, auch privat. Die Entscheidungsträger des Vereins haben die sportliche Entwicklung beurteilt und als Spieler muss man das so hinnehmen, so schwierig solche Momente auch immer sein mögen. Aber nachher wider besseren Wissens einfach Spieler als Rädelsführer auszumachen, das ist eine Sauerei. Frage: Nun war auch etwas von einem kleinen Fehltritt in der Vorbereitung zu lesen. Michael Kraus: Gut, das stimmt und dazu muss ich auch stehen. Ich bin in Sindelfingen abends ohne Erlaubnis weg gewesen. Der Frust über die Leistung gegen Bittenfeld saß da wohl zu tief und das war dumm von mir. Dafür bin ich auch bestraft worden vom Verein, völlig zu Recht. Ich habe mich auch gegenüber der ganzen Mannschaft entschuldigt, da war dann allerdings mannschaftsintern auch noch einmal eine Strafe fällig und dann ist dies auch erledigt. Es war ein Fehler, Punkt. Wir müssen jetzt den Blick nach vorne richten, alle gemeinsam. Frage: Im ersten Spiel gegen den SC Magdeburg hast Du mit 13 Treffern den TBV fast alleine zum Sieg geführt. Wie erklärst Du diesen Leistungssprung? Michael Kraus: Es gibt Dinge, die kann man einfach nicht erklären. Die Würfe, die in León noch nicht ins Tor gingen, waren gegen den SCM halt einfach drin. Ich habe vom Prinzip ja nichts anderes gemacht. Und wenn ich dann höre, dass ich befreit aufspielen konnte, dann ist das auch Unsinn. Ich habe unter Markus Baur enorm viel gelernt und von ihm profitiert. Auf dem Feld gebe ich immer alles und versuche mit der Mannschaft Erfolg zu haben. Egal unter welchem Trainer. Und das ist jetzt bei Volker Mudrow natürlich nicht anders. Wie gesagt, wir müssen nun alle gemeinsam nach vorne schauen, Mannschaft, Trainer und Umfeld. Frage: Mit 4:0 Punkten ist ein optimaler Start in die Liga geglückt. Wie soll es weitergehen? Michael Kraus: Wir gewinnen einfach jedes Spiel. Nein, im Ernst, wir haben jetzt einen guten Auftakt gehabt und das ist schön. Aber wir sind weit davon entfernt, dass wir schon etwas erreicht hätten. Klar wollen wir einen der vermeintlich drei Großen ärgern und einen Champions League-Platz erreichen. Dafür muss natürlich vieles passen, aber unser Anspruch ist es zunächst einmal, immer das nächste Spiel zu gewinnen und alles für den Erfolg zu tun. Das Final Four ist ein Wunsch, den wohl jeder Spieler auf seinem Zettel hat und im EHF-Cup ist das Finale ein konkretes Ziel. Frage: Das scheinen im ersten Moment recht hoch gesteckte Ziele. Michael Kraus: Das hört sich vielleicht so an, aber wir haben hier beim TBV eine super Mannschaft zusammen, die enormes Potenzial hat. Sicherlich muss man von Verletzungspech verschont bleiben, um dies auch so umsetzen zu können. Aber damit kann ich ja nicht planen und von daher setze ich persönlich auch für mich die Messlatte sehr hoch an. Ich habe mit dem TBV noch einiges vor! Quelle: www.toyota-handball-bundesliga.de

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