Joan Canellas - der spanische Zeitlupen-Dominator

21.01.2015 14:03
Spaniens Weltklasse-Regisseur drückt mit seiner kontrollierten Spielweise einem gesamten Spiel seinen Stempel auf. Davon profitiert seit dieser Saison auch der Rekordmeister THW Kiel. Wenn Joan Canellas auf dem Spielfeld steht, dann ist das Handballspiel ein anderes. Es gibt gewissermaßen die Sportart Handball ohne den 28-jährigen spanischen Strategen – schnell, dynamisch, wild, ungestüm – und den Gegensatz davon, wenn Canellas das Spiel nach seinen Vorstellungen aufzieht. In diesem Fall wird das Tempo erst einmal einen Gang zurückgeschraubt. Denn der knapp zwei Meter große Hüne braucht Zeit; Zeit, um mit seiner Genialität das gesamte Geschehen auf der Platte in seine Hand zu nehmen. Dadurch wirkt die Spielweise des Regisseurs der Zebras aus Kiel und der spanischen Nationalmannschaft vielleicht bisweilen behäbig, unmodern, vielleicht sogar lethargisch – doch genau dieser Eindruck ist Canellas‘ größte Waffe. Denn wird sein Spielaufbau nicht rigoros weit vor dem gegnerischen Tor unterbrochen, ist er schlichtweg nicht mehr zu verteidigen. Kein anderer Spieler behält in der eigenen Angriffsbewegung noch so lange das Auge für den besser postierten Nebenmann. Wenn sich zwei Abwehrspieler schon zum Block gegen die mächtigen Würfe des Spaniers auftürmen, legt er den Ball noch gefühlvoll an den Kreis ab. Und zwar nicht nur einmal. Mit seiner dominanten Spielweise, mit der alle Aufmerksamkeit der Deckung auf sich zieht, überlistet der Iberer die besten Abwehrreihen der Welt reihenweise. Vielleicht hat sich Canellas diese Interpretationsweise des Handballspiels während der gemeinsamen Zeit mit dem großen spanischen Spielmacher nach der Jahrtausendwende, Iker Romero, beim FC Barcelona abgeschaut. Auch Romero, der seine Karriere nach dieser Saison bei den Füchsen Berlin zu Ende gehen lässt, verschleppt gern das Tempo, um dann selbst die entscheidenden Akzente im Angriff zu setzen. Von 2005 bis 2008 lief der 95-Kilo-Koloss für den spanischen Vorzeigeclub auf, um anschließend über die Station Granollers zum großen Konkurrenten Ciudad Real, später Atlético Madrid, zu wechseln. In dieser Zeit begann der Modellathlet auch, seinen Trophäenschrank nachhaltig zu füllen: 2 spanische Meistertitel und einen Pokalsieg verbuchte Canellas, bevor er 2013 den Sprung in die stärkste Liga der Welt wagte. Vom warmen Madrid ins regnerische Hamburg – der Wechsel zum HSV dürfte für den gebürtigen Katalanen Canellas durchaus ein Kulturschock gewesen sein. Seinem Spiel merkte man dies allerdings nie an. Von Beginn an übernahm der Spanier auch bei den Hanseaten zusammen mit dem kroatischen Superstars Domagoj Duvnjak die Rolle des Regisseurs, erzielte in seiner ersten Saison gleich 143 Treffer. Zusammen mit Duvnjak zog es Canellas vor der aktuellen Saison dann zum Rekordmeister THW Kiel. Und auch im Starensemble der Zebras benötigte er so gut wie keine Anlaufzeit, wurde nach den verletzungsbedingten Ausfällen der Rückraum-Asse Aron Palmarsson und Filip Jicha im Handumdrehen zum absoluten Leistungsträger. Der ist er in der spanischen Nationalmannschaft schon lange. 104 Mal streifte sich Canellas das Trikot der Iberer über, die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: Weltmeister 2013 und bei der EM 2014 folgte dann das persönliche Highlight. Zusätzlich zur Bronzemedaille holte sich der Mittelmann die Torjägerkanone des gesamten Turniers. Und auch bei der WM in Katar läuft es für Canellas und seine Seleccion wie geschmiert: Zwar tat sich der Turnierfavorit im zweiten Gruppenspiel am Samstag gegen Brasilien schwerer als erwartet, dennoch haben die Spanier nach zwei Partien bereits zwei Siege auf dem Konto. Immer mit der Ruhe eben, immer die Kontrolle behalten. Die Devise gilt für die spanische Nationalmannschaft genauso wie für ihren Regisseur Joan Canellas. Quelle: http://www.dkb-handball-bundesliga.de

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