- Anzeige -

09.12.2020 15:00 Uhr - 1. Bundesliga - Christian Missy

"Mit Kommunikation kann man viel wettmachen": Silvio Heinevetter über Schiedsrichter und einen Klaps auf den Po

Silvio Heinevetter wünscht sich mehr Kommunikation mit den Schiedsrichtern - und wertet deren Leistung im internationalen Vergleich als sehr hoch.Silvio Heinevetter wünscht sich mehr Kommunikation mit den Schiedsrichtern - und wertet deren Leistung im internationalen Vergleich als sehr hoch.
Quelle: foto-laechler.de
Silvio Heinevetter ist einer der emotionaleren Spieler in der Handball-Bundesliga. Der 36-Jährige ist im Stande, durch seine spektakulären Paraden die Statik eines kompletten Spiels zu verändern. Mit seiner Präsenz kann der Torhüter der MT Melsungen das eigene Team mitreißen, aber auch eine ganze Halle gegen sich aufbringen. Nicht zuletzt auch wegen der Art und Weise, wie Heinevetter mit den Schiedsrichtern interagiert. Heinevetters Spiel lebt von Emotionen, doch wie denkt der Charakterkopf in einer ruhigen Minute über das Thema Schiedsrichter? Im Interview spricht Heinevetter über Kommunikation, Verbesserungsvorschläge und einen sympathischen Klaps auf das Gesäß.




Herr Heinevetter, wann ist die Leistung eines Schiedsrichter-Gespanns in einem Bundesligaspiel gut?

Silvio Heinevetter:
Eigentlich, wenn es nicht auffällt. Die Schiedsrichter sollten ein Spiel nie in den letzten fünf Minuten entscheiden, sondern in der ersten Halbzeit die Linie klarmachen, damit sich alle darauf einstellen können. Und wenn die Schiedsrichter dann eine Linie fahren, egal ob hart oder weich, dann ist die Leistung gut, wenn sie dieser Linie treu bleiben. Schlecht ist, wenn sie in der Schlussphase gewagte Entscheidungen treffen, die niemand einordnen kann.

Woran merkt denn ein Außenstehender, dass ein Schiedsrichter seine Linie verlässt?

Silvio Heinevetter:
Man sieht das an den Reaktionen der Beteiligten. Wenn die gegnerischen Spieler und die der eigenen Mannschaft nach einer Entscheidung schmunzeln, dann war sie wahrscheinlich nicht gut. Aber ein Schiedsrichter kann auch mal schlecht pfeifen. Es ist Teil des Jobs, dass auch die eigene Mannschaft mal der Leidtragende ist, das ist aber gar nicht das Thema.

Worum geht es dann?

Silvio Heinevetter:
Es geht darum, dass Schiedsrichter aus solchen schlechten Spielen lernen können. Die Mannschaften bereiten sich akribisch vor und machen eine Nachanalyse. Die meisten Schiedsrichter machen das sicher auch. Dem einen gelingt das besser, dem anderen weniger. Das ist so wie bei uns Spielern auch. Ein Schiedsrichter ist genauso wenig unfehlbar wie ein Spieler. Es ist immer auch ein Wechselspiel zwischen Spielern und Schiedsrichtern. Mit Ausstrahlung und Kommunikation mit den Spielern kann ein Schiedsrichter viel wettmachen.

Wie sollte die Kommunikation Ihrer Meinung nach aussehen?

Silvio Heinevetter:
Ein Schiedsrichter muss, darf und soll sich nicht vor den Spielern verantworten. Aber wenn Spieler Hinweise geben, worauf ein Schiedsrichter achten könnte und dieselbe Situation dann fünfmal hintereinander passiert, wird es schwierig.

Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass man sich nach dem Spiel mehr mit den Schiedsrichtern austauschen kann. Durch eine kurze Kommunikation in gesitteter Art und Weise können die Schiedsrichter einen Mehrwert daraus ziehen. Und wenn die Schiris ihre Entscheidungen erklären, sind die für die Spieler auch einleuchtender und man bekommt auch ein besseres Gefühl dafür, was die Schiedsrichter leisten. Mit einigen Schiedsrichter-Paaren ist das aber auch möglich.

Heinevetter über Schiedsrichter: Klare Linie, gute Kommunikation und Fingerspitzengefühl







Sie gelten als ein Spieler, der vielleicht nicht jede Entscheidung der Unparteiischen unkommentiert hinnimmt.

Silvio Heinevetter:
Ich habe dafür auch schon Zeitstrafen kassiert. Teilweise aber zu Unrecht, weil ich nichts Böses gesagt habe und in meinen Emotionen gefangen war. Die Emotionen gehören dazu, das ist ja der Reiz an der Geschichte, dass nicht alle Charaktere gleich sind. Ich finde, als Spieler hat man schon das Recht zu fragen, was man falsch gemacht hat.

Was für einen Umgang zwischen Spielern und Schiedsrichtern während des Spiels wünschen Sie sich?

Silvio Heinevetter:
Ich finde es verdammt gut, wenn die Unparteiischen irgendwann ankündigen: bis hierhin und nicht weiter. Dann können sich alle darauf einstellen. Jeder lotet ja jedes Spiel aufs Neue zu Beginn erst einmal aus, wie weit er gehen kann. Und das sollte auch allen zugestanden werden. Ein Schiedsrichter muss auch nicht mit allen sprechen, sondern mit ein, zwei Spielern, die in ihrer Mannschaft eine entsprechende Stellung haben. Die können die Signale dann weitervermitteln.

Aber bei aller Kommunikation sollte nie vergessen werden, der Schiri bleibt der Boss. Wenn ein Schiedsrichter ein gutes Fingerspitzengefühl hat, gibt es damit aber auch keine Probleme. Es wird auch als sympathisch gewertet, wenn Schiris ehrlich Fehler zugeben. Das ist aber eine Sache des Standings. Je länger ein Schiedsrichter dabei ist, desto entspannter und lockerer wird er.

Sie spielen schon ihre gesamte Karriere mit ihren Teams oder der Nationalmannschaft auch im Ausland. Wie bewerten Sie die deutschen Schiedsrichter im internationalen Vergleich?

Silvio Heinevetter:
Das Leistungsniveau ist extrem hoch. Wenn man international spielt, lernt man die deutschen Schiedsrichter erst richtig schätzen. Man muss aber auch sagen, dass es innerhalb der Bundesliga große Leistungsschwankungen gibt.

Heinevetter schlägt Einsatz von Schiedsrichtern bei Trainingsspielen vor



Das Pfeifen ist für keinen Schiedsrichter der Hauptberuf. Glauben Sie, eine Professionalisierung würde helfen, um das allgemeine Niveau anzuheben?

Silvio Heinevetter:
Das ist, glaube ich, gar nicht zwingend notwendig. Es sind sowieso nur ein paar Stellschrauben, an die ich gehen würde. Vielleicht ist es eine Idee, dass die Bundesliga-Schiedsrichter unter der Woche, wenn sie keine Spiele haben und es zeitlich möglich ist, bei den Vereinen der Ersten und Zweiten Liga Trainingsspiele leiten. Das ist für die Schiedsrichter gut, fördert den Austausch - und den Spielern tut es gut, weil dann nicht mehr der Co-Trainer pfeifen muss (lacht).

Sie sind seit über 15 Jahren im Profi-Handball aktiv. Was war Ihre kurioseste Situation mit einem Schiedsrichter?

Silvio Heinevetter:
Absolut im positiven Sinne war das eine Szene in einem Heimspiel mit Magdeburg gegen Minden. Die damalige Schiedsrichterin Jutta Ehrmann hatte einen Sieben-Meter gegen uns gepfiffen und sagte direkt danach zu mir: "Heine, das war mein Fehler, den hätte ich nicht pfeifen dürfen. Den hältst du jetzt für mich." Ich hielt den Sieben-Meter und beim Vorbeilaufen gab sie mir einen Klaps auf den Popo. Das hat keiner groß mitbekommen, aber ich fand das sehr sympathisch.

Haben Sie eigentlich selbst schon einmal gepfiffen?

Silvio Heinevetter:
Klar, Jugendmannschaften oder mal ein Trainingsspiel. Man stellt sich das so einfach vor, aber das ist es nicht. Grundsätzlich kann man das als gefestigter aktiver Spieler schon hinkriegen, weil man in der Materie ist, ein breit gefächertes Fachwissen hat und dadurch ein Gefühl dafür bekommt. Aber das ist auf jeden Fall nicht ohne, gerade auch mit dem Druck von den Zuschauerrängen. Ich habe davor einen Heidenrespekt.

Schiedsrichterschein für Profis? Für Heinevetter keine schlechte Idee



- Anzeige -


Bei der Handball-EM 2018 gab es im Spiel gegen Slowenien diese Szene, in der die Slowenen Paul Drux kurz vor Abpfiff beim Anwurf hinderten. Sie waren der einzige auf dem Feld, dem dieser Regelverstoß auffiel. Ihr Hinweis an die Schiedsrichter ermöglichte noch einen Sieben-Meter für das DHB-Team und damit den 25:25-Ausgleich. Wie werden denn Spieler hinsichtlich Regeländerungen ausgebildet?

Silvio Heinevetter:
Zunächst einmal kann das auch den Schiedsrichtern im Eifer des Gefechts passieren, eine Regel mal nicht im Kopf zu haben. Umso besser ist es dann, wenn sie Tipps einholen. In Bundesliga-Mannschaften gibt es vor einer Saison Regelschulungen, deswegen finde ich schon, dass wir Handballprofis regelsicher sind. Natürlich haben die Spieler die Vereinsbrille auf und nicht den Abstand der Schiedsrichter. Aber wir können die Entscheidungen nachvollziehen, auch wenn sie zum Nachteil der eigenen Mannschaft ausfallen.

Wäre es auch ein Denkansatz, dass Bundesligaprofis verpflichtend einen Schiedsrichterschein ablegen müssen? So könnte sich die Spieler besser in Sicht der Unparteiischen hineinversetzen.

Silvio Heinevetter:
Ich finde, das wäre keine schlechte Geschichte. Ich würde gerne mal Schiedsrichter sein. Ich finde auch, dass man den Schiris als Spieler nach einem guten Spiel auch mal gratulieren sollte, egal ob die eigene Mannschaft gewonnen oder verloren hat. Kritik bekommen sie oft genug, sie haben sich auch Lob verdient.



Beachten Sie auch: