Michael Kraus: Die
Was meinen Sie genau?
Kraus: Man konnte spüren, dass unser Team den Titel haben will. Wir waren zwar unsicher, wo wir überhaupt stehen und ob unser Wunsch umsetzbar ist. Doch der Wille war vom ersten Tag da. Irgendwann haben wir auch gemerkt, dass da wirklich was geht!
Welche Momente aus dem Finale haben sich bis heute besonders eingeprägt ?
Kraus: Das ganze Spiel. Ich habe ganz gut angefangen, wurde aber nach einem Fehlpass ausgewechselt. Markus spielte dann weiter, und es klappte trotz seiner Verletzung ganz gut. Die Polen kamen aber heran, Henning verletzte sich bei der Parade gegen Marius Jurasiks Gegenstoß … Jogi ging ins Tor … Nach dem Schlusspfiff dann das schwarz-rot-goldene Fahnenmeer. Ich habe jede Minute in meinem Kopf gespeichert. Der ganze Abend war gigantisch! Er wollte nicht enden – und wir wollten auch nicht, dass er endet!
Empfindet man so ein Finale auf dem Feld als ganz normales Spiel, oder ist es einem über 60 Minuten bewusst, worum es gerade geht?
Kraus: Wer erzählt, ein Finale sei ein ganz normales Spiel, der lügt (lacht). Vielleicht wollen manche damit den Druck von sich nehmen. Doch das ist wirklich Quatsch. Wenn du in einer Weltmeisterschaft so weit gekommen bist, bist du schon total fertig. Dir tut schon alles weh, du musst aber noch ein letztes Mal deinen Körper mit Adrenalin vollpumpen, um über deine Grenze zu gehen und 200 Prozent zu geben! Du brauchst deine Lockerheit, dabei dürfen dir aber keine Fehler passieren. Es kommt auf jede einzelne Aktion, auf jede Kleinigkeit an. Do or Die! Ich liebe solche Spiele.
Ihr größter Gänsehautmoment?
Kraus: Als wir in den Katakomben der Kölnarena standen und auf das Feld wollten. Einige Minuten vor dem Anpfiff. Die Zuschauer stampften mit den Füßen. Die ganze Halle bebte, das Geräusch werde ich nicht vergessen. Du gehst auf die Platte und spürst, dass die Fans dich gleich zum Sieg tragen werden. Eine andere Option gab es für uns nicht.
Und wie erlebten Sie den Schlusspfiff?
Kraus: In Trance, könnte man sagen (lacht). Ich war komplett fertig, rannte orientierungslos auf und ab, versuchte jeden Mitspieler zu umarmen. Nach so einem Spiel hat man das Gefühl, fliegen zu können.
Nicht nur das Team hat sich Spiel für Spiel gesteigert, sondern auch das Publikum …
Kraus: Das stimmt allerdings. Am Anfang lief die WM nur so nebenher. Wir waren zwar in den Medien vertreten, so richtig zugetraut hat man uns da aber noch nichts. Erst als wir uns in der Hauptrunde gegen Island, Slowenien und Frankreich durchgesetzt hatten, haben die Leute plötzlich die Deutschlandfahnen rausgeholt. Aus dem Sommermärchen 2006 wurde ein Wintertraum 2007. Unser Hotel im sonst so beschaulichen Wiehl wurde plötzlich von Fans umlagert. Ich kam nackt aus der Dusche und wollte mich anziehen – plötzlich winkten mir hunderte von Fans von der Straße aus zu. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste ich, dass die Öffentlichkeit nicht nur Notiz von uns genommen hatte, sondern dass es schon mehr war als das.
Das Finale in der LANXESS arena haben über 20 Millionen Zuschauer vor den Fernsehbildschirmen verfolgt.
Kraus: Mit solchen Zahlen wurden wir erst im Nachhinein konfrontiert. Es war auf jeden Fall mega.
Sie haben im Turnier den verletzten Kapitän, Ihren späteren Trainer, ersetzt. Haben Sie mit Markus Baur auch später über das Turnier gesprochen?
Kraus: Immer wieder. Markus wusste, dass ich ein ganz anderer Spielertyp bin, als er das war. Vielleicht hat uns das auch ein Stück weit unberechenbar gemacht. Als sich Markus im Spiel gegen Frankreich verletzte, bekam ich die Chance, durchzuspielen. Ich wusste: Es gibt jetzt kein Auswechseln mehr, jetzt musst Du marschieren.
Für Experten stand fest, dass Sie sich während des Wettbewerbs zum Weltklassespieler entwickelt hatten. Sehen Sie das auch so?
Kraus: Ich denke, dass ich auch davor schon eine gute Leistung zeigen konnte, die Weltmeisterschaft im eigenen Land war allerdings meine erste große Bühne.
Bei Ihrer Heimkehr soll die ganze Stadt Göppingen ausgeflippt sein.
Kraus: Ich bin in Göppingen von mehreren Zehntausend Menschen und einem riesigen Plakat an der Stadteinfahrt empfangen worden. In der ganzen Stadt gab es auch in zahlreichen Geschäften den „Mimi Kraus-Weltmeister-Rabatt“, also 20 Prozent auf alles. Die große Party ging also weiter. Es war extrem und surreal zugleich.
Wo bewahren Sie Ihre Goldmedaille auf?
Kraus: Sie ist im Keller in einer Box zusammen mit anderen Auszeichnungen, wie meine Champions League-Medaille oder mein silbernes Lorbeerblatt, gut verstaut … Ich denke, da ist auch noch mein C-Jugend Meisterschaftspokal drin (lacht).
Dafür sollen Ihre Final-Schuhe einen prominenten Platz bei Ihnen haben …
Kraus: Ich habe die Schuhe von jedem großen Finalspiel, das ich gespielt habe, in einem Regal. Sie sind hinter Plexiglas und erinnern mich an jeden Titel, den ich gewonnen habe.
Warum sind es gerade die Schuhe?
Kraus: An dem Harz klebt noch goldenes Lametta. Das erinnert mich an das Spiel, an die Atmosphäre, an den Sieg und das Gefühl danach.
Dieser Artikel stammt aus der HANDBALL inside Ausgabe #20 2/2018. Autor: Zita Newerla
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Quelle: PM HANDBALL Inside
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