Am Ende war nur noch grenzenloser Jubel, Leere, Erleichterung – oder alles zusammen. Mit einem 33:29 (15:9)-Sieg im finalen Relegationsspiel gegen den HC Empor Rostock ist der HSG Konstanz der direkte Wiederaufstieg in die 2. Handball-Bundesliga geglückt. Vor überaus stimmungsvoller Kulisse im mit knapp 1 700 frenetischen Fans gefüllten Hexenkessel Schänzle-Hölle, der sich schon vor dem Anpfiff wieder in ein gelb-baues Fahnenmeer verwandelt hatte, hatte die HSG nach dem 31:31 im Hinspiel an der Ostsee bereits frühzeitig mit einer ganz starken Vorstellung und zwischenzeitlicher Zwölf-Tore-Führung die Rückkehr in die Top 36 Deutschlands perfekt gemacht.
So fiel die Anspannung bereits frühzeitig ab, wurde das Ziel schon in der letzten Viertelstunde immer greifbarer. Verständlich, dass nach einer langen Saison längst die Feierlichkeiten auf Konstanzer Seite begonnen hatten, als Empor Rostock noch einmal aufzeigte, dass man mit 50:10 Punkten ein würdiger Norddeutscher Meister geworden war. Mit zwölf Treffern in Rückstand, die Halle ohrenbetäubend laut gegen sich und völlig aussichtslos in Rückstand, ließ sich die junge, talentrierte Truppe von Trainer Till Wiechers nicht hängen. Nach dem 32:24 durch die Gastgeber verkürzten die Hansestädter noch auf 29:33. Davor zog auch HSG-Kapitän Tom Wolf den Hut und meinte, in der wohl schwersten Stunde der jüngeren Empor-Vergangenheit: „Empor hat tough gekämpft. Ich möchte nicht tauschen. Man kann sich kaum vorstellen, was in den Jungs vorgehen muss. Das ist eine gute Truppe. Ich hoffe, sie schaffen es nächstes Jahr.“
Während Empor in den bitteren Apfel des Verbleibs in der 3. Liga beißen muss, lagen sich die beiden Konstanzer Kapitäne Tim Jud und Tom Wolf in den Armen. Das kongeniale Duo, das seine Mannschaft in die „stärkste zweite Liga“ zurückgeführt hat, bekam das Dauergrinsen nicht mehr aus dem Gesicht und wollte sich gar nicht mehr loslassen. Im Hintergrund spielten sich ähnliche Szenen zwischen Cheftrainer Daniel und Präsident Otto Eblen ab. Ganz viel Anspannung wich dabei langsam unbeschreiblicher Freude und Zufriedenheit. Den auf ihm lastenden Druck brachte Daniel Eblen so zum Ausdruck: „Mit der Relegation hat es sich angefühlt wie mit einem Staatexamen, das man vor sich hat. Man arbeitet ewig darauf hin – und dann ist es auch gut, wenn es vorbei ist.“ Tom Wolf wusste bis weit nach dem Spiel nicht, wohin mit seinen Gefühlen. „Was hier in der Halle abgegangen ist, das fühlt sich einfach super an. Wir sind super glücklich.“ Er hatte den Satz nicht einmal beendet, da folgte schon die zweite Bierdusche kurz hintereinander. „Alle feiern, alle freuen sich, so muss es auch sein“, strahlte der Mittelmann. „Wir haben es uns heute verdient.“
Verdient durch einen unglaublich präsenten, entschlossenen und intensiven Auftritt von Sekunde eins an, als die Schänzle-Hölle schon wieder einem wahren Tollhaus glich. Die Gelb-Blauen unten auf dem Spielfeld taten, angestachelt von der Gänsehaut-Atmosphäre, ihr Übriges. Wie Fabien Wiederstein über das komplette Spiel im Innenblock zupackte, dabei über die volle Distanz nur einen einzigen Zweikampf verlor, wie entschlossen, mit welchem Tempo und mit welcher Wucht die angeschlagenen Paul Kaletsch, Tim Jud, später auch Tom Wolf auftraten, war bemerkenswert. Beeindruckend war aber vor allem die Leistung von Schlussmann Simon Tölke. Nach der Kritik der letzten Wochen in der Relegation stellte er mit am Ende 15 Paraden und einem erzielten Tor unter Beweis, welch toller Keeper er ist. Gleich reihenweise fischte er die Bälle spektakulär weg, stand immer wieder in der Luft, feierte jede gelungene Aktion und brachte die Halle zum Toben. Gänsehaut. Selbst ein Treffer direkt in das Gesicht beantwortet er nach einem kurzen Schütteln – mit wilden Jubelgesten Richtung Publikum. Und den nächsten Paraden.
Dazu schickte er seine Vorderleute immer wieder ins Tempospiel, wo die pfeilschnellen Samuel Wendel und im zweiten Durchgang Matthias Hild dankbare, starke Abnehmer waren. Die Stimmung nach diesen schnellen Kontertoren war endgültig am Siedepunkt. „Das war toll“, atmete Eblen tief ein. Gänsehaut, schon wieder. „Nach diesen Toren kam es ja schon fast obenraus. Das hat uns gepusht und Rostock wehgetan. Das Echo in der Halle war großartig.“ Viel besser hätte der 44-Jährige sich das Finale vor dem eigenen Publikum nicht ausmalen können. Belohnung für die ganze Saison sei dies, meinte er. Zufrieden. Leicht lächelnd, still genießend. Denn schon am Donnerstag und Freitag hatte er ein überaus gutes Gefühl, das ihn nicht täuschen sollte. „Weil“, so folgte die Erklärung, „Simon Tölke und Max Wolf super trainiert haben. Da war viel mehr Power drin. Ich war mir sicher, dass unser Tor zugenagelt wird.“
So kam es. Und Konstanz schon nach 30 Minuten zu einem 15:9-Vorsprung und komplett euphorisierter Kulisse, die ihre Mannschaft immer wieder im Stehen nach vorne peitschte. Über 22:12 und 25:13 steuerte Konstanz unaufhaltsam Richtung Bundesliga-Unterhaus. Mit offensiver Deckung und dem siebten Feldspieler versuchten die 1 000 Kilometer angereisten Gäste aus Mecklenburg-Vorpommern noch einmal alles. Aber erst, alles es die HSG „etwas ausklingen ließ“, so Tom Wolf, konnte Rostock noch von 24:32 auf 29:33 verkürzen. „Das Wichtigste war“, sagte Eblen, „dass wir in der Abwehr wieder besser gestanden sind. Die ersten 15 Minuten waren nun unsere.“
Völlig abgekämpft und erschöpft genoss der während der Partie gewohnt emotionale Drittliga-Torschützenkönig Paul Kaletsch ungewohnt still. Fast ein wenig geistesabwesend, wie er seinen Zustand selbst beschrieb. „Das wird alles noch ein bisschen dauern, bis man alles realisiert hat“, so der Shooter. „Wir haben viel einstecken müssen, auch harte Niederlagen in der ersten Runde der Relegation. Das war mental echt Hammer. Wir haben noch einmal alles reingehauen und wurden für das Risiko belohnt.“ Auch dies ein Gänsehaut-Moment, den sonst so extrovertierten Torjäger in sich gekehrt, nachdenklich, müde, ruhig und beseelt zu erleben.
In der nächsten Saison wird die HSG Konstanz nun nach nur einem Jahr Abstinenz in ihre sechste Zweitliga-Spielzeit gehen, in der dann nur noch 18 Teams umfassenden 2. Bundesliga. Aus dieser werden künftig lediglich noch zwei Mannschaften direkt absteigen, der Drittletzte muss Relegationsspiele bestreiten. Ein Wort, das in Konstanz vorerst keiner mehr hören möchte. In Rostock ganz zu schweigen.
HSG Konstanz: Maximilian Wolf, Simon Tölke (15 Paraden/1Tor) (Tor); Michel Stotz, Fabian Schlaich (3), Matthias Hild (5), Tom Wolf (2), Fabian Wiederstein (3), Paul Kaletsch (9/5), Felix Krüger (4), Fabian Maier-Hasselmann, Joschua Braun (1), Tim Jud (2), Tim Keupp, Samuel Wendel (3), Joel Mauch, Samuel Löffler.
Zuschauer: 1650 in der Schänzle-Sporthalle Konstanz.
Schiedsrichter: Fabian Baumgart und Sascha Wild.
Quelle: PM HSG Konstanz
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