Die HSG Konstanz und die Geschichte der direkten Freiwürfe nach Ablauf der Spielzeit, sie wird langsam zu einer unendlichen. Erst war es Matthias Stocker vor drei Jahren, der so zum Sieg gegen Leutershausen traf, dann scheiterte Tom Wolf mit dem Nicht-Tor des Jahrhunderts in Fürstenfeldbruck, traf aber wenig später nach Ablauf der ersten 30 Minuten in Baden-Baden – und setzte dem Ganzen nun die Krone auf. 28:28 stand es im Duell des Drittliga-Spitzenreiters aus Konstanz gegen den letztjährigen Meister Kornwestheim nach Ablauf der 60 Spielminuten. Dann kam erneut Wolf, nahm Maß, knickte leicht zur linken Seite und drehte den Ball mit viel Effet und gleichzeitiger Geschwindigkeit über den Sechs-Mann-Block der Gäste ins rechte obere Tordreieck. Kunstwurf, 29:28, Heimsieg und völlige Ekstase bei über 1.300 HSG-Fans in der kochenden „Schänzle-Hölle“.
Doch der komplette Wahnsinn begann viel früher. Vor einer Woche in Pforzheim. Tom Wolf war wie schon in Pfullingen nach einem Anriss der Außenbänder nicht spielfähig, wirkte aber an der Seite emotional mit, ganz nahe an der Mannschaft. Gab Tipps, munterte auf und trieb an. Und litt. Nach 15 Siegen in Folge riss die Erfolgsserie ohne den HSG-Kapitän (30:32). „Nächste Woche muss ich spielen“, sagte Wolf daraufhin. „Mutti kommt und sitzt auf der Tribüne“, schob er die Begründung grinsend hinterher. Diese kommt, wie der Mittelmann, aus Krefeld. Und Frau Wolf bekam für ihre 600 Kilometer lange Anreise alles geboten, was den Handball so einzigartig, spektakulär und besonders macht.
Angefangen von vielen dramatischen Wendungen. Als etwa der bärenstarke Ex-Erstligaprofi Peter Jungwirth zum 7:4 für die Gäste traf und der HSG eine kalte Dusche verpasste, nachdem es wenige Minuten zuvor noch 4:4 gestanden hatte. Oder als wieder Jungwirth mit einem seiner zehn Treffer gar auf 9:5 erhöhte. Weil Konstanz bis zu diesem Zeitpunkt sehr nervös wirkte, viele Fehler im Spielaufbau beging und Kornwestheim schlampige Zuspiele der Hausherren zu Ballgewinnen und blitzschnellen Gegenstößen nutzte. Doch die HSG schlug mit drei Treffern in Folge, alles in nur drei Minuten, zurück. 9:10 – und die extrem stimmungsvolle Schänzle-Hölle glich einem Tollhaus. „Wir sind“, lobte Eblen den Kontrahenten, der nie locker ließ, „auf einen sehr starken Gegner getroffen, der ein sehr gutes Spiel gemacht und wirklich alles reingeworfen hat.“
Wie bereits so oft in dieser Saison lieferte der Gegner gegen die HSG eines seiner besten Saisonspiele, spielte völlig befreit und gierig darauf, dem Favoriten ein Bein zu stellen, auf. So auch der Vorjahresmeister. Allen voran Jungwirth, der, nachdem die Gastgeber kurz vor der Pause (13:12) die Partie gedreht hatten, und mit einem knappen Vorsprung (17:16) die Seiten gewechselt wurden, seine Mannschaft mit spektakulären Toren aus dem Nullwinkel im Spiel hielt. Eblen: „Stark, ganz wichtige Tore für sein Team. Wir hingegen haben zu viele Fehler gemacht und in der Abwehr zu viele schnelle Gegentore über die zweite und dritte Welle kassiert.“
Im Angriff hingegen wechselten sich beim Primus sehenswerte Kombinationen mit schönen Abschlüssen mit „unglücklichen, schlechten „ab, so der HSG-Coach weiter. Oft wollte den Gelb-Blauen nicht die richtige Entscheidung glücken, insbesondere in Überzahl – oder gar doppelter numerischer Überlegenheit. „Man kann“, drehte der 44-Jährige die Medaille um, „aber auch das Positive sehen. Wir haben uns nach Vier-Tore-Rückstand zurückgekämpft und richtig reingebissen.“ Die erhoffte Sicherheit gewannen seine Schützlinge daraus jedoch nicht. Stattdessen wogte das Spiel hin und her, mit ständigen Führungswechseln.
Nur wenig mehr als eine Minute vor Ultimo hatten dann die Württemberger alle Trümpfe in der Hand: 28:27-Führung durch Hendrik Schoeneck. Tim Jud besorgte den Ausgleich, der eingewechselte Maximilian Wolf parierte den letzten Wurf der Gäste und wieder Tim Jud holte in den letzten sieben Sekunden noch einen finalen Freiwurf heraus. Tom Wolf, gerade erst wieder genesen, schnappte sich die Kugel. Die letzte Spielsekunde war inzwischen abgelaufen. Dann der Kunstwurf, der irgendwie an Block und Torwart vorbei in die Maschen flog und für völlige Eskalation sorgte. Bei Mutter Wolf, bei Spielern und Verantwortlichen, die Jagd auf den über das ganze Spielfeld rennenden Spielführer machten, einholten und minutenlang unter sich begruben. Bei über 1300 Fans, bei wildfremden Menschen, die sich feiernd in den Armen lagen.
„Ich weiß nicht einmal, wo der eingeschlagen ist“, meinte der 24-Jährige völlig fertig und unter dem Einfluss der großen Emotionen. „Dass wir es am Ende gewinnen und so – ist cool. Das sind die Momente, für die man spielt, wenn die ganze Halle ausrastet.“ Erst so erfuhr Wolf überhaupt, was ihm gelungen ist, denn „ich habe nicht gesehen, dass der Ball drin war“, erklärte der glückliche Siegtorschütze. „Ich habe es nur gehört. Was hier wieder los war, völlige Ekstase. Dann geht man mit, ungesteuert, freut sich.“
HSG Konstanz: Maximilian Wolf, Simon Tölke (Tor); Michel Stotz, Fabian Schlaich (1), Jerome Portmann, Matthias Hild, Tom Wolf (1), Fabian Wiederstein (4), Paul Kaletsch (5/2), Felix Krüger (3), Joschua Braun (5), Tim Jud (5), Tim Keupp (4), Samuel Wendel (1).
Zuschauer: 1300 in der Schänzle-Sporthalle Konstanz.
Schiedsrichter: David Gierke und Korbinian Konwitschny.
Quelle: PM HSG Konstanz
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